Einmal kurz die Welt retten. Das ist im Grunde die Erwartung an alle, die den Friedensnobelpreis bekommen. Heute um elf Uhr wird in Oslo wieder bekannt gegeben, wer den nobelsten aller Preise erhält. Insgesamt 318 Kandidaten wurden heuer bis zum Stichtag 1. Februar nominiert. 211 Persönlichkeiten und 107 Organisationen. Das bietet genug Raum für Spekulationen, und die reichen von Thunberg bis Nawalny, von der WHO bis zu Black Lives Matter.

Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri konnte im Vorfeld immerhin mit Gewissheit sagen, wer ihn nicht bekommt: US-Präsident Donald Trump: „Weil er ihn nicht verdient hat.“ Eher würde er den Literaturnobelpreis für seine Tweets bekommen.

Dass jemand wie Trump überhaupt infrage kommt, macht deutlich, dass das Renommee des mit umgerechnet rund 900.000 Euro dotierten Friedensnobelpreises gelitten hat. Immer wieder sorgte die Vergabe für Kopfschütteln. Die Geschichte des Friedensnobelpreises ist auch eine Geschichte enttäuschter Hoffnungen. Nicht immer werden die Geehrten den Erwartungen gerecht.

Umstritten: Der Preis für Barack Obama
Umstritten: Der Preis für Barack Obama © AFP

Der amerikanische Präsident Barack Obama bekam den Friedensnobelpreis im Jahr 2009; zu einer Zeit, als er die Truppen in Afghanistan aufstocken ließ.

Mahatma Gandhi, die Friedens-Ikone des 20. Jahrhunderts, bekam den Preis nie, im Gegensatz zu Jassir Arafat (1994) und Henry Kissinger (1973) - der eine ein Terrorist, der andere für viele ein Kriegstreiber.

Mit Jassir Arafat erhielt ein Terrorist den Friedensnobelpreis: 1994 wurde er zusammen mit Israels Premier Jitzhak Rabin (Mitte) und Außenminister Schimon Peres ausgezeichnet.
Mit Jassir Arafat erhielt ein Terrorist den Friedensnobelpreis: 1994 wurde er zusammen mit Israels Premier Jitzhak Rabin (Mitte) und Außenminister Schimon Peres ausgezeichnet. © AP

Mit der Verleihung des Friedensnobelpreises an die EU im Jahr 2012 würdigte das Nobelpreiskomitee sechs Jahrzehnte Bemühungen um Frieden. Manche fragen sich dennoch, ob der Preis an die Union nicht verfrüht war, da sie sich bis heute auf keine menschenwürdige Flüchtlingspolitik einigen kann. Nicht selten ist der Preis gewissermaßen ein Vorschuss aus dem Risikokapital.

Juan Manuel Santos, einst Präsident Kolumbiens, erhielt den Friedensnobelpreis 2016 für seine Anstrengungen, den mehr als 50 Jahre andauernden Bürgerkrieg in dem Land zu beenden. Bis heute lässt der Friede auf sich warten.

Umstritten ist auch die Preisträgerin von 1991: Myanmars heutige Regierungschefin Aung San Suu Kyi war damals als Oppositionspolitikerin für ihren friedlichen Kampf um Demokratie in ihrer Heimat mit dem Friedensnobelpreis geehrt worden. Doch in der Frage der Rohingya hat sie komplett versagt: Myanmar ist wegen Völkermordes an den muslimischen Rohingya in Den Haag angeklagt.

Seit mehr als 100 Jahren wird der Friedensnobelpreis vergeben, der erste Preis ging an den Gründer des Roten Kreuzes, Henri Dunant.
Fast 70 Prozent der Friedensnobelpreise gingen seit 1901 an Männer, mehr als zehn Prozent an Frauen, weniger als 20 Prozent gingen an Organisationen. 17 Jahre alt war 2014 die jüngste Preisträgerin, Malala Yousafzai. Drei Ausgezeichnete saßen am Tag der Bekanntgabe im Gefängnis: der chinesische Menschenrechtsaktivist Liu Xiaobo (2010), Aung San Suu Kyi und 1935 der deutsche Friedensstifter Carl von Ossietzky.

Die Kür der Sieger erinnert an die Papstwahl: Ausgewählte Personen einigen sich hinter verschlossenen Türen auf den Preisträger, oder auch auf mehrere.

Es war die österreichische Pazifistin Bertha von Suttner, die den schwedischen Sprengstoff-Erfinder Alfred Nobel animierte, auch einen Friedenspreis zu stiften. Ob aus schlechtem Gewissen oder weil er schlicht ein Philanthrop war, ist ungewiss. Gesichert ist, dass er zu Suttner gesagt hat, die 1905 ausgezeichnet wurde: „Vielleicht werden meine Fabriken die Kriege schneller beenden als deine Friedenskongresse.“

Alfred Nobel verfügte, dass der Preis für den Frieden all jenen gebührt, die sich „am meisten oder besten für die Verbrüderung der Völker“ einsetzen. Ein Preis für jene, die sich um eine friedliche Welt bemühen.

Mutter Teresa, die Ordensschwester aus Kalkutta wurde 1979 ausgezeichnet. Nach der Verleihung gibt es für jeden Preisträger ein Festbankett. Doch Mutter Teresa strich das Bankett und organisierte stattdessen ein Weihnachtsfest für Arme.

Mutter Teresa
Mutter Teresa © AP

Besonders umstrittene Preisträger:

  • US-Präsident Theodore Roosevelt erhielt den Preis 1906 für seine
    Vermittlung im russisch-japanischen Krieg, war für Kritiker allerdings ein beinharter Imperialist.
  • Mit Jassir Arafat erhielt ein Terrorist den Friedensnobelpreis: 1994 wurde er zusammen mit Israels Premier Jitzhak Rabin und Außenminister Schimon Peres ausgezeichnet.
  • Nach nur neun Monaten im Amt bekam US-Präsident Barack Obama 2009 bereits den Friedensnobelpreis, weil er laut
    Nobel-Komitee die
    Diplomatie wieder auf das politische Parkett brachte.
  • Und noch ein US-Präsident gilt als Fehlgriff: Woodrow Wilson erhielt den Friedensnobelpreis 1919. Er gilt als Rassist, für den der Ku-Klux-Klan ein würdiges Bollwerk aufrechter weißer Männer war.
  • Umstritten war der Nobelpreis 1973 für US-Außenminister Henry Kissinger und den nordvietnamesischen Politiker Le Duc Tho (der den Preis aber nicht annahm).
  • Wangari Maathai, Nobelpreis 2004 für ihren Kampf gegen Korruption in Kenia. Kritisiert wurde sie, weil sie sagte, das HI-Virus stamme aus westlichen Labors, um Schwarze auszurotten.

Die Preisträger der vergangenen Jahre:

2019: Äthiopiens Premier Abiy Ahmed wurde für seine Friedensbemühungen zwischen Äthiopien und Eritrea ausgezeichnet.

Abiy Ahmed
Abiy Ahmed © APA/AFP/ZACHARIAS ABUBEKER

2018: Nadia Murad (Irak) und Denis Mukwege (Kongo) für den Kampf gegen sexuelle Gewalt als Kriegsmittel in bewaffneten Konflikten.

Nadia Murad
Nadia Murad © APA/AFP/PHILIPPE LOPEZ

2017: Anti-Atomwaffen-Kampagne Ican für ihren Kampf um einen Vertrag gegen Atomwaffen.

2016: Juan Manuel Santos, Präsident von Kolumbien, für seine Anstrengungen, den mehr als 50 Jahre andauernden Bürgerkrieg in dem Land zu beenden.

2015: Tunesisches Quartett für nationalen Dialog für ihre Bemühungen um eine pluralistische Demokratie in Tunesien.

2014: Malala Yousafzai (Pakistan) & Kailash Satyarthi (Indien) für ihren Kampf gegen die Unterdrückung von Kindern und deren Recht auf Bildung.