Der autoritäre Langzeit-Staatschef Alexander Lukaschenko hat sich in Weißrussland zum sechsten Mal ins Präsidentenamt einführen lassen. Der 66-Jährige legte den Eid am Mittwochvormittag überraschend ab. Das meldeten Staatsmedien in Minsk. Die Amtseinführung geschah ohne Ankündigung. Normalerweise wird die Zeremonie als bedeutender Staatsakt Tage vorher bekanntgegeben. In Weißrussland gibt es seit der Präsidentenwahl im August Proteste und Streiks gegen Lukaschenko.

Mehr als ein Vierteljahrhundert an der Macht

Der Staatschef, der bereits seit 26 Jahren an der Macht ist, hatte sich unter einmal mehr unfairen und unfreien Bedingungen mit 80,1 Prozent wieder zum Sieger erklären lassen. Inzwischen gab es mehrere Tote, Hunderte Verletzte und mehr als 10.000 Festnahmen. Die Demokratiebewegung in Weißrussland sieht die Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja als Siegerin der Präsidentenwahl.

Russland unterstützt den als "letzten Diktator Europas" bezeichneten Lukaschenko politisch und finanziell. Die EU hat die Wahl dagegen nicht anerkannt und will Sanktionen gegen etwa 40 Regimevertreter verhängen. Am gestrigen Dienstag hatte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell dem 66-jährigen Lukaschenko das Recht auf das Präsidentenamt erneut klar abgesprochen. Es handle sich um eine "Pseudo-Amtseinführung", schrieb Borrell in einem Blogeintrag: "Herr Lukaschenko hat jede Legitimität verloren."

Geheimoperation

Dass die Amtseinführung als Geheimoperation angesetzt wurde, zeige einmal mehr, dass der Machtapparat Angst habe vor Protesten der Bevölkerung, die den Wahlsieg vom 9. August nicht anerkenne, sagte der Politologe Waleri Karbelewitsch in Minsk der Deutschen Presse-Agentur. Nach der Verfassung musste die Amtseinführung innerhalb von zwei Monaten nach der Präsidentenwahl - also spätestens bis zum 9. Oktober - erfolgen.

Staatschef Alexander Lukaschenko hat nach seiner sechsten Amtseinführung die Revolution in seinem Land für gescheitert erklärt. "Das ist unser gemeinsamer Sieg", sagte er bei der Amtseinführung im Unabhängigkeitspalast in der Hauptstadt Minsk.

2020 werde in die Geschichte als "sehr emotionales Jahr" eingehen, sagte Lukaschenko, nachdem er den Amtseid abgelegt hatte. Die Versuche, das Land zu vernichten, seien gescheitert. "Wir sind im Kreis der wenigen, wir sind vielleicht sogar die einzigen, wo die 'farbige Revolution' keinen Erfolg hatte", sagte er mit Blick auf prowestliche Regimewechsel in anderen Staaten der früheren Sowjetunion. Es habe einen "teuflischen Druck" auf das Land von außen gegeben.

Litauens Außenminister Linas Linkevicius bezeichnete die Amtseinführung Lukaschenkos als "Farce". "Gefälschte Wahlen. Gefälschte Amtseinführung", schrieb Linkevicius am Mittwoch auf Twitter. "Seine Illegitimität ist eine Tatsache mit allen daraus resultierenden Folgen." Litauen unterstützt die Forderungen der weißrussischen Demokratiebewegung. In seiner Rede bei der UNO-Generaldebatte appellierte Staatspräsident Gitanas Nauseda an die Vereinten Nationen, bei der Führung in Minsk auf einen friedlichen Machtübergang in Belarus zu drängen.

Auch die deutsche Regierung betonte, dass sie Lukaschenko auch nach seiner überraschend schnellen Vereidigung als Staatsoberhaupt Weißrusslands anerkennt. Für die Zeremonie in Minsk gebe es "keine Legitimierung", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. Er bekräftigte, dass die Präsidentschaftswahl in Belarus am 9. August weder frei noch demokratisch gewesen sei. Zudem müsse die Gewalt der Sicherheitskräfte gegen friedliche Demonstranten unverzüglich beendet, politische Gefangene freigelassen und ein nationaler Dialog mit der Opposition aufgenommen werden. Seibert bedauerte zudem, dass die EU-Außenminister keine Einigung zu weitergehenden Sanktionen gegen Belarus erzielt haben. "Es ist und es bleibt unser Ziel, zeitnah solche restriktiven Maßnahmen zu ergreifen", sagte Seibert. Als einziges EU-Land blockierte zuletzt Zypern einen Beschluss zu Sanktionen auch gegen Lukaschenko direkt.

Auch der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), kritisierte die Vereidigung Lukaschenkos auf Twitter scharf. Lukaschenko habe die Wahl nicht gewonnen. Er sei für Wahlmanipulation und die gewalttätige Unterdrückung von Protesten verantwortlich. "Die EU erkennt das Wahlergebnis nicht an und sollte Lukaschenko nicht als den neuen Präsidenten von Belarus anerkennen", schrieb Weber weiter. Er plädierte zudem dafür, Lukaschenko persönlich "sofort" auf die EU-Sanktionsliste zu setzen.