Die im Streit liegenden Nachbarn Griechenland und Türkei haben rivalisierende Militärmanöver angekündigt. Griechenland setzte eine Übung südlich seiner Insel Kreta an. Das türkische Verteidigungsministerium reagierte mit der Ankündigung eines eigenen Manövers zur gleichen Zeit in der gleichen Region. In den Neunzigerjahren standen beide Seiten wegen eines Streits um zwei unbewohnte Ägäisinseln schon einmal kurz vor einem Krieg. Nun droht erneut ein bewaffneter Konflikt.

Denn das Forschungsschiff „Oruc Reis“ kreuzt südlich der griechischen Insel Kastelorizo. Eskortiert von Einheiten der Kriegsmarine, sucht es nach Erdgasvorkommen unter dem Meeresboden – in einem Seegebiet, das Griechenland unter Berufung auf die UN-Seerechtskonvention als Wirtschaftszone beansprucht. Eigentlich sollte die „Oruc Reis“ am Sonntag nach Antalya zurückkehren. Dann verlängerte die Türkei aber die Suche bis zum Donnerstag.

Verschärfter Konflikt

Mit den Manövern der See- und Luftstreitkräfte verschärft sich der Konflikt. Die verfeindeten Nato-Mitglieder haben große Teile ihrer Kriegsflotten in der Region mobilisiert. Wie brenzlig die Situation ist, zeigte sich vor zehn Tagen, als die türkische Fregatte „Kemal Reis“ mit der griechischen Fregatte „Limnos“ kollidierte. Der Zwischenfall schürte die Sorge wegen einer Auseinandersetzung. Sie könnte drohen, wenn die Türkei ihre Gassuche auf Gebiete in der Umgebung von Kreta ausweitet, wie es Staatschef Recep Tayyip Erdoan ankündigte. Dann werde für Athen „eine rote Linie überschritten“, heißt es in Regierungskreisen.

Die EU-Außenminister beraten Ende dieser Woche in Berlin über mögliche Sanktionen gegen die Türkei. Die Außenminister hatten bereits Mitte Juli mit Strafmaßnahmen gedroht, falls die Türkei ihre Suche nach Bodenschätzen ausweite – was sie inzwischen getan hat. Die Aussichten auf eine rasche Einigung in dem Konflikt sind aber gering. Bereits ab 2002 haben Griechenland und die Türkei 14 Jahre lang über eine Abgrenzung ihrer Wirtschaftszonen verhandelt. Greifbares ist nicht herausgekommen. Im Frühjahr 2016 brach die Türkei die Verhandlungen nach dem 60. Treffen der beiden Delegationen ab.

Grenzproblematik

Die Materie ist schwierig. Die Ägäis ist bis unmittelbar vor die türkische Küste mit griechischen Inseln gespickt. Wenn jede dieser Inseln eine eigene Wirtschaftszone hat, bleibt für die Türkei fast nichts übrig. Eine Einigung würde von beiden Seiten Kompromissbereitschaft und Zugeständnisse erfordern. Davon ist aber bisher nichts zu merken. In Griechenland sitzt das Misstrauen gegenüber dem Nachbarn Türkei tief. Erdogan, so glaubt man in Athen, greift nach der politischen und militärischen Vorherrschaft im östlichen Mittelmeer. Die Griechen fürchten deshalb, dass jedes Entgegenkommen im Streit um die Wirtschaftszonen neue türkische Begehrlichkeiten wecken würde. Erdogan stellt bereits den Vertrag von Lausanne infrage, der 1922 die Grenzen zwischen Griechenland und der Türkei regelte.

Dass Erdogan im Gasstreit jetzt nachlegt statt zurückzustecken, hängt auch mit der türkischen Innenpolitik zusammen. Die Lira taumelt von einem Tief zum nächsten, Investoren ziehen sich zurück, die Arbeitslosenzahlen steigen. Der Staatschef ist unter wachsendem Druck. Zugeständnisse gegenüber Athen könnten von der Opposition als Zeichen der Schwäche gedeutet werden. Erdogan braucht das Feindbild Griechenland jetzt mehr denn je.