Noch nie war der Druck bei den europäischen Haushaltsverhandlungen so groß – nicht nur geht es beim Gipfel der Regierungschefs am Freitag und Samstag um den siebenjährigen Haushaltsrahmen, sondern zusätzlich um den „Next Generation“-Wiederaufbaufonds in der Covid-19-Krise, in Höhe von 750 Milliarden Euro. Zudem erschwert der Brexit die Haushaltslage.

In dieser Situation droht Ungarn mit einem Veto, wenn wie geplant politische Bedingungen mit dem Geld verknüpft werden. Das Parlament – in dem die Regierungspartei Fidesz eine 2/3-Mehrheit hat – verabschiedete am Dienstag eine verbindliche Resolution, in der die Regierung aufgefordert wurde, dem EU-Finanzplan nur unter fünf Bedingungen zuzustimmen. Dazu gehört die Ablehnung jeglicher Koppelung der Gelder an rechtsstaatliche Kriterien und zudem eine Beendigung des laufenden Artikel-7-Verfahrens gegen Ungarn. Das schließt einen Kompromiss in Brüssel ungarischerseits aus – Ministerpräsident Orbán kann sagen, dass ihm die Hände durch den Parlamentsbeschluss gebunden sind.

Fidesz-Vizechefin Katalin Novák mit ihrem politischen Mentor, dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán
Fidesz-Vizechefin Katalin Novák mit ihrem politischen Mentor, dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán © (c) AP (Vivien Cher Benko)

„Der Beschluss steckt den Spielraum der Regierung ab bei den Verhandlungen über das Hilfspaket“, sagt Katalin Novák, die Familienstaatssekretärin und zugleich einflussreiche Vizechefin der Regierungspartei Fidesz, im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Es gehe ja „um etwas ganz Neues in der Geschichte der EU – dieser ,Next Generation Fund‘ ist ein Kredit, den die EU aufnehmen soll und den die Mitgliedsländer garantieren müssen. Das Parlament hat dafür Grundbedingungen abgesteckt: Es muss gerecht zugehen, ärmere Länder sollten nicht proportional weniger bekommen als reichere Länder, und es darf keine Politisierung bei der Vergabe der Mittel geben“, sagt die Staatssekretärin. Dazu gehöre auch, „dass man nicht über den leicht politisierbaren Begriff der Rechtsstaatlichkeit die Mitgliedsländer unter Druck setzt“. Deswegen, fordert Novák, „muss auch das Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn eingestellt werden, auch das steht im Beschluss des ungarischen Parlaments“.

Man müsse bedenken, dass nicht Ungarn diese Gelder brauche, es sei bislang „relativ gut durch die Krise gekommen“. Zudem sei es ein Schritt, mit dem sich die Union erstmals verschulde. „Obwohl wir das eher vermeiden möchten, verschließen wir uns dem nicht. Wir verstehen, dass manche EU-Länder in einer schweren Krise stecken, und wenn das eine Lösung ist, dann sind wir dazu bereit“, erklärt die Fidesz-Vizechefin. Aber es dürfe dabei nicht „unverhältnismäßig oder ungerecht“ zugehen. Budapest wolle von vornherein die Möglichkeit ausschließen, „dass man im Nachhinein dann, unter dem Vorwand diffuser Rechtsstaatlichkeitsvorwürfe, Ungarn bei der Verteilung und Verwendung dieser Gelder einzuschränken versucht. Wenn wir uns schon gemeinsam verschulden, dann geht es nur so, wenn wir das als gleichwertige, ebenbürtige Partner tun“.

Ungarn erwartet harte Verhandlungen

Auf die Frage, ob das nicht Erpressung sei und eine Entscheidung über die dringend benötigten Gelder sträflich verzögern werde, antwortete die Staatssekretärin: „Nein, das ist Interessenvertretung. Die Verhandlungen im Europäischen Rat am Freitag und Samstag werden sicher hart sein. Es geht um viel Geld, und um viele Sorgen. Auch um die Sorge mancher Länder, dass sie am Ende die Schulden anderer Mitglieder bezahlen müssen, wenn diese sich dazu unfähig erklären. Aber wir wollen zu einer rechtzeitigen Einigung kommen.“

Ungarn stehe mit seiner Ablehnung der Rechtsstaatlichkeitsauflagen nicht allein, betonte Katalin Novák, konnte aber auf Nachfrage konkret nur Polen nennen. Beiden Ländern werden in Brüssel rechtsstaatliche Mängel vorgeworfen.

Diese Vorwürfe seien im Falle Ungarns aber unbegründet, meint die Fidesz-Politikerin. „Nach 2011 hat man in Brüssel jedes unserer neuen Gesetze samt dem neuen Grundgesetz überprüft und gutgeheißen. Nun fängt man wieder damit an. Es gibt für diese Koppelung auch keine Grundlage im EU-Recht. Es gibt bis jetzt kein objektives, für alle gleichsam geltendes Kriteriensystem, mit dem „Rechtsstaatlichkeit“ klar definiert werden könnte. Wir sind deswegen grundsätzlich gegen solche Verfahren.“