Noch sind es nur Spekulationen, aber das politische Berlin ist aufgekratzt. Die Zusammenarbeit der Streitkräfte sei „im Interesse unserer beiden Länder“, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD). Das klang diplomatisch. Andere wurden deutlicher. „Völlig inakzeptabel“, sagte Peter Beyer (CDU), Beauftragter der Regierung für die Beziehungen zu den USA. Grünen-Verteidigungsexperte Tobi Lindner nannte Donald Trump einen „transatlantischen Geisterfahrer“. Es stand schon besser um die Beziehungen Deutschlands zum Weißen Haus.

Das „Wall Street Journal“ hatte berichtet, die USA könnten 9500 ihrer 34.500 Soldaten aus Deutschland abziehen. Ami, go home? Noch schweigt die US-Regierung. Aber die Aufregung ist vor allem in Deutschlands Süden groß, wo die US-Armee ein wichtiger Arbeitgeber ist, wie in Rheinland-Pfalz. Bernhard Vogel, der frühere CDU-Ministerpräsident, nannte das Land im Kalten Krieg „Flugzeugträger der USA“. Das ist es geblieben. Die Air Base Ramstein nahe Kaiserslautern ist der größte Stützpunkt der US-Armee außerhalb der Vereinigten Staaten. Dort entsteht gerade der Neubau für das größte US-Militärhospital jenseits es Atlantiks. Strategisch ausgereift sind Trumps Pläne nicht. „Die Stationierung der US-Soldaten in Deutschland ist für die Koordination der internationalen militärischen Präsenz der USA enorm wichtig“, betont der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. So werden über Ramstein nicht nur die Einsätze in Irak und Afghanistan abgewickelt, auch der Einsatz von Drohnen wird von dort gesteuert. Und im württembergischen Stuttgart befindet sich das Zentralkommando der US-Armee für Europa und Afrika.

Daher gibt es auch in den Vereinigten Staaten Kritik an Trump. Das kümmert den Präsidenten wenig. Er mahnt Deutschland seit Langem, seinen Wehretat anzuheben. Kanzlerin Angela Merkel tritt für eine multilaterale Weltordnung ein, beruhend auf Völkerrecht und Verträgen.

Das schert Trump wenig, er ist ein Mann bilateraler Deals. So wird spekuliert, ob seine Pläne mit Merkels coronabedingter Absage für den G7-Gipfel in Washington zu tun haben.

Doch spielt auch eine andere Debatte eine Rolle. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich mahnte jüngst, die USA sollten ihre Atomraketen aus Deutschland abziehen. Polen bot sich als neuer Stationierungsort an.
Seit der russischen Annexion der Krim 2014 hat sich der Schwerpunkt der Nato nach Osten verlagert. Die Nato stellte eine schnelle Eingreiftruppe auf. So starrt auch ihr Generalsekretär Jens Stoltenberg auf die Überlegungen in Washington. Die Nato muss die neuen Verbände im Osten nämlich stetig austauschen. Denn die Nato-Russland-Grundlagenakte aus dem Jahr 1997 verbietet die dauerhafte Stationierung von Nato-Truppen auf dem Gebiet des früheren Warschauer Pakts. Mit seinen Abzugsplänen spielt Trump nun mit diesem Pfeiler der europäischen Sicherheitsarchitektur.

Die Abzugspläne der US-Armee legen aber auch ein anderes Problem offen. Auch dreißig Jahre nach der deutschen Einheit sucht das Land noch nach einer außenpolitischen Strategie. Die Bundeswehr ist in Afghanistan auf der Basis eines UN-Mandats aktiv, dem von der UNO gebilligten Waffengang in Libyen indes blieb Deutschland fern. Für Verbündete – nicht nur in den USA – macht das Deutschland schwer kalkulierbar. Noch scheut das Land die Debatte seiner militärischen Verantwortung. Aus guten Gründen. Die Empörung über Donald Trump ist verständlich, aber die quälende Debatte im Innern über die Verantwortung Deutschlands in der Welt steht noch bevor. Peter Riesbeck, Berlin