Bisher wurde die Corona-Pandemie mit Husten und Atemnot in Verbindung gebracht. In Ankara scheinen die Krisenzeiten dagegen die Fantasie zu stimulieren. In einem offenen Brief erklärte Präsident Erdogan nun, eine Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union sei weiter das strategische Ziel der Türkei. Die Rührung in Brüssel wird sich in Grenzen halten.

2005 hatte man Beitrittsverhandlungen aufgenommen – mit mäßigem Erfolg. Seit damals gab es Streit ohne Ende und eine Flüchtlingskrise, in der Erdogan mitunter auf Erpressung setzte. In Bezug auf die Beitrittskriterien hat die Türkei die entgegengesetzte Richtung eingeschlagen: Erdogan-Kritiker sitzen hinter Gittern; Presse und Justiz stehen unter Druck. In der Corona-Krise ächzt nun die türkische Wirtschaft – das dürfte den Brief inspiriert haben.

Gute Beziehungen wären für beide Seiten wichtig. Doch zuerst muss der türkische Sultan in der Realität und auf dem richtigen Kurs ankommen.