Welche Schuld tragen chinesische Behörden am Ausbruch der Corona-Pandemie? Australien will diese Frage mithilfe einer internationalen Untersuchung klären.

Australiens Premierminister Scott Morrison unterstrich erneut seine Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung der Ursprünge der Corona-Pandemie. "Das ist ein Virus, das mehr als 200.000 Menschenleben auf der ganzen Welt gekostet hat. Es hat die Weltwirtschaft zum Einsturz gebracht. Die Folgen und Auswirkungen sind außerordentlich. Daher scheint es durchaus angemessen und vernünftig, dass die Welt eine unabhängige Bewertung will", erklärte er.

Im Streit über eine gründliche Aufarbeitung des Corona-Ausbruchs in Wuhan verschärfte sich zuletzt der Ton zwischen China und Australien. Der chinesische Botschafter in Canberra drohte sogar mit einem Boykott australischer Waren - China ist das größte Exportland Australiens bei Rindfleisch und Wein.

Australiens Premier Scott Morrison
Australiens Premier Scott Morrison © AP

Australiens Forderung nach einer internationalen Untersuchung des Coronavirus-Ausbruchs in China belastet die Beziehungen der beiden wirtschaftlich eng verknüpften Länder. Eine Untersuchung, die sich auf die Verantwortung Chinas für die weltweite Ausbreitung des Virus fokussiert, könnte "gefährliche" Folgen für die australische Tourismusindustrie und Landwirtschaft haben, erklärte Botschafter Cheng Jingye kürzlich der Zeitung "Australian Financial Review".

Tiermarkt? Oder doch Labor?

Australien fordert schon länger eine internationale Untersuchung des Virusausbruchs und wirbt dafür auch in Europa und den USA um Unterstützung. Vor einigen Wochen hatte auch US-Präsident Donald Trump von China verlangt, selbst den genauen Ablauf der Verbreitung offenzulegen. Hintergrund der Debatte sind Spekulationen, dass der Coronavirus-Erreger nicht von einem Tiermarkt, sondern aus einem Labor in Wuhan stammen könnte.  Eine Theorie, die von Verschwörungstheoretikern in aller Welt stammen könnte, die zuletzt allerdings auch in der renommierten "Washington Post" genährt wurde.

Die mehrfach mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete US-Zeitung hatte sich in dem Artikel auf interne Depeschen zweier US-Diplomaten gestützt, berichtet nun auch der "Spiegel". Die Diplomaten hätten im Jänner 2018 mehrmals das Wuhan Institute of Virology besucht und vor Sicherheitsmängeln gewarnt. In den Berichten ging es konkret um Arbeiten an einem Fledermaus-Corona-Virus und die Gefahr einer Pandemie. Der Weltgesundheitsbehörde (WHO) zufolge gibt es für diese Theorie bisher aber null Belege. Auch Yuan Zhiming, der Leiter des Wuhan Institute of Virology (WIV) und Direktor des nationalen Labors für biologische Sicherheit, erklärte der Nachrichtenagentur Reuters, es handle sich um "böswillige" Behauptungen, die "aus der Luft gegriffen" seien.

Opfer, nicht Urheber

Das Pekinger Außenministerium erklärte diese Woche, China sei Opfer von Desinformationen und nicht ihr Urheber. Ein Ministeriumssprecher habe damit auf eine Frage von Journalisten nach einem kritischen Bericht der Europäischen Union reagiert, wie der "Spiegel" berichtet. Darin sei angedeutet, dass China Falschinformationen über den Virusausbruch verbreitet habe.

Die Zweifel nehmen kein Ende, denn die Nachrichten über die Bekämpfung des Virus in China lassen freilich auch Fragen offen. Ärzte, die im vergangenen Dezember in Wuhan erste Verdachtsmomente auf das Virus meldeten, wurden von Chinas Führung gemaßregelt. So auch der mittlerweile an den Folgen seiner Covid-19-Erkrankung verstorbene Arzt Li Wenliang, weil er "Gerüchte" über das Coronavirus verbreitet hatte.