Emmanuel Macron ließ bei einer feierlichen Fernsehansprache keinen Zweifel am Ernst der Lage: „Wir stehen am Anfang dieser Epidemie“, sagte der französische Präsident am Donnerstagabend und appellierte an die Verantwortung jedes Einzelnen. Zugleich kündigte er die Schließung aller Krippen, Kindergärten, Schulen und Universitäten ab Montag an.

Seit Beginn der Epidemie hat Frankreich täglich dieselben Zahlen Infizierter wie das benachbarte Deutschland, aber eine auffallend höhere Zahl von Opfern. Es waren am Samstag 3661 Infizierte und 79 Tote.
Die höhere Todesrate mag damit zusammenhängen, dass nicht gleich systematisch getestet wurde: Frankreichs größtes Problem ist aber die mögliche Überforderung des Gesundheitssystems. Krankenschwestern und Ärzte hatten schon vor der Epidemie gegen Kürzungen und katastrophale Arbeitsbedingungen protestiert. Über 500 Spitalsärzte hatten Anfang Februar aus Protest ihre administrativen Aufgaben niedergelegt.

Die Epidemie zeige, „dass es Güter gibt, die nicht von den Regeln des Marktes abhängen dürfen“. Es sei „Wahnsinn“ gewesen, die Kontrolle über die Gesundheit anderen zu überlassen, sagte Macron und versprach, eine Lehre aus dieser Prüfung zu ziehen.

"Macron wird ein Fiasko erleben"

Eine andere schmerzliche Lektion könnten ihm die Franzosen schon heute erteilen, wenn in den knapp 35.000 Kommunen Frankreichs gewählt wird. Womöglich gibt dieser Urnengang gar einen Vorgeschmack auf die Präsidentschaftswahl 2022. Ein großer Verlierer steht nämlich aller Voraussicht nach fest: Macron samt seiner Partei La République en Marche. „Macron wird ein Fiasko erleben“, prophezeit Frédéric Dabi, Politologe des Meinungsforschungsinstituts Ifop: „Wir werden den Sieg der alten Welt erleben“, jener Welt, deren Rechts-links-Spaltung Macron für obsolet erklärte.

Paris ist dafür ein perfektes Beispiel. Zum Kampf um das schönste Büro der Republik im Pariser Rathaus treten drei Frauen an. Was manche als Zickenkrieg abtun, ist die Rückkehr zur alten Spaltung der politischen Landschaft zwischen Sozialisten und Konservativen: Gegen die amtierende Bürgermeisterin, die Sozialistin Anne Hidalgo, hat den Umfragen nach nur Rachida Dati eine Chance, Kandidatin der Republikaner und einst Justizministerin von Nicolas Sarkozy. Ihr Comeback zeigt, dass die alten Parteien vielleicht gar nicht so am Ende sind, wie es bei Macrons Wahl zum Präsidenten schien. An Dati kann es nicht liegen. Die 52-Jährige hat sich weder als Ministerin noch sonst hervorgetan.

Macrons Kandidatin, Agnès Buzyn, war bis vor vier Wochen Gesundheitsministerin, ehe sie sich entschloss, für den über eine Sex-Affäre gestürzten Benjamin Griveaux einzuspringen. Dass sie eine Mehrheit holt, ist ausgeschlossen, obwohl sie in der Hochburg des Macronismus antritt: In Paris hatte Macron bei der Finalrunde der Präsidentenwahlen knapp 90 Prozent.

Wie ist es möglich, dieses Heimspiel zu verlieren? Die Macht Macrons wurzelt nicht tief. Es ist nicht gelungen, eine Partei mit Strukturen und Büros, mit erkennbaren Köpfen zu etablieren. Auch die Gelbwestenkrise hat gezeigt, dass Macrons Bewegung in der Fläche keine Kraft und für die Probleme der Bürger in den abgehängten Regionen abseits der Metropolen nicht viel Verständnis hat. Sie mag als Präsidentenwahlverein funktioniert haben, als gestalterische Kraft im Alltag taugt sie nicht. Vielerorts gibt es sie gar nicht: In zwei Drittel der Ortschaften über 9000 Einwohner hat Macrons Partei überhaupt keinen Kandidaten. Es ist wahrscheinlich, so Meinungsforscher Dabi, dass Macrons Partei nur dritt- oder viertstärkste Kraft im Land wird. Und dann? „Dann wäre der König nackt.“