Manche Botschaften muss man sich selbst vorausschicken, damit sie nicht nach der Ankunft beim Gastgeber auf der Strecke bleiben. Beifall jedenfalls dürfte Angela Merkel ihrem Besucher Sebastian Kurz nicht zollen, wenn er seine Prognose einer schwarz-grünen Koalition in Deutschland nach den nächsten Bundestagswahlen zum Besten gibt. Zum einen verbittet sich die Kanzlerin gerne Ratschläge von außen, selbst wenn sie aus der europäischen Parteienfamilien kommen. Zum anderen steht sie fest zu ihrem aktuellen Bündnispartner in der Bundesregierung, auch wenn die Sozialdemokraten ähnlich dahinschwächeln wie der Winter in der deutschen Hauptstadt.

Der Kanzler jedenfalls sagte der „Welt am Sonntag“ vor dem heutigen Besuch: „Selbstverständlich kann die Regierung aus Konservativen und Grünen in Österreich auch ein Modell für Deutschland sein. Ich erwarte sogar, dass die nächste Regierung eine schwarz-grüne sein dürfte.“ Und hält sich auch mit einer Einschätzung zum aktuellen Bündnis nicht zurück: „Aus Sicht Österreichs kann ich nur sagen: Der Stillstand der großen Koalitionen hat unserem Land geschadet.“ Eine „ökosoziale Marktwirtschaft, die eine starke Standortpolitik, aber auch den achtsamen Umgang mit der Umwelt im Blick hat“, sei zukunftsweisend für entwickelte Volkswirtschaften in Europa, betont der Kanzler.

CDU sieht in Grünen "unseren Hauptgegner"

Diese Worte erzeugten in der CDU umgehend Widerspruch. Friedrich Merz, großer Widersacher von Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer in der Merkel’schen Nachfolgefrage, sieht in den Grünen „zuerst einmal unser Hauptgegner bei der nächsten Bundestagswahl“, sagte er dem Nachrichtenportal „t-online“. Denn solange ein Bündnis der Grünen mit der Linkspartei und SPD rechnerisch nicht ausgeschlossen sei, würde sich jeder bis zum Wahltag „selbst der Nächste“ sein. Auch andere Unionspolitiker denken leise über eine Zusammenarbeit mit der Ökopartei auf Bundesebene nach, aber Lieblingspartner bleibt weiterhin die liberale FDP.

Deutsche Grüne sehen in Wien "keine Blaupause"

Auch bei den deutschen Grünen schaut man mit gemischten Gefühlen über die Grenze. Parteichef Robert Habeck sieht in der Regierungsbildung in Wien keine Blaupause. Er zolle den österreichischen Parteifreunden zwar Respekt, sich der Verantwortung gestellt zu haben, um die ÖVP „ins demokratische Zentrum zurückbringen“, sagte Habeck vor einigen Tagen im „ZDF“. „Aber die Regierungsbildung eins zu eins zu übertragen“, finde er falsch. Er sehe seine Aufgabe eher darin, die Union aus CDU und CSU inhaltlich herauszufordern.

In Davos präzisierte er seine kritische Einschätzung, dass die Themenfelder unter den beiden Koalitionären aufgeteilt seien und im Krisenfall sogar mit anderen Parteien im Nationalrat gegen den Regierungspartner beschlossen werden dürften. Dies sei für ihn im Bundestag nicht machbar. Dort müsse ein Koalitionsvertrag konkret auch bei Streitpunkten ausgehandelt sein. Co-Parteichefin Annalena Baerbocksagte der „taz“: „So etwas wird es in Deutschland nicht geben.“ Vor allem das Thema Asyl wird als Blankoscheck für die ÖVP bewertet. So jedenfalls hat es die Bundestagsabgeordnete Luise Amtsberg formuliert, die für Flüchtlingspolitik zuständig ist.

Keine Termine mit Grünen in Berlin

Am Bundeskanzler wird die Kritik vorübergehen. Einen Grünen-Politiker wird Kurz heute nicht treffen und auch Merkel hat wichtigere Thema auf ihrer Agenda, den Streit um den EU-Finanzrahmen 2021 bis 2027 etwa. Auch bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Dienstag wird die Farbenlehre der Regierungsbildung keine Rede wert sein. Die beiden schätzen sich seit ihrer gemeinsamen Zeit als Außenminister und werden sich über die großen Krisen der Welt austauschen.

Vielleicht sind die Grünen morgen ja bei Kramp-Karrenbauer ein Thema. Sie immerhin könnte es treffen nach einer Wahl. Die Verteidigungsministerin hatte im Dezember die Grünen zur Zusammenarbeit mit der GroKo aufgefordert. Das klang wie eine Art Testlauf.