Weiße Rosen stecken nun in den Einschusslöchern in der Frontscheibe des Büros des Sozialdemokraten, erzählt ein Mitarbeiter des Wahlkreis-Büros von Karamba Diaby im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Eine Frau aus der Nachbarschaft habe sie dort platziert. Man hört, wie überwältigt er von der Solidarität der Bevölkerung ist. Über 50 Menschen seien heute vorbeigekommen und er habe den ganzen Tag ununterbrochen Leute begrüßt und telefoniert. Seine Kollegin habe die Einschusslöcher am Morgen bemerkt, als sie ins Büro kam. Zunächst habe sie ihn angerufen und dann direkt die Polizei verständigt. Seitdem wurden Spuren gesichert, doch die Ermittlungen sind noch ganz am Anfang. Zeit sich Gedanken zu machen, habe das gesamte Team bisher nicht gehabt, erzählt der Mitarbeiter. 

Wie es Karamba Diaby gehe, könne er nicht perfekt einschätzen aber klar ist: Einschüchtern lassen will sich der Abgeordnete nicht. Er sei zutiefst dankbar für die Solidarität, teilt der aus dem Senegal stammende Politiker auf Twitter mit.

Innerhalb von wenigen Stunden nach dem ersten Posting hatte es unzählige fraktionsübergreifende Solidaritätsbekundungen gegeben, so auch vom ehemaligen Grünen-Chef Cem Özdemir.

Im Gespräch mit der Kleinen Zeitung erklärt Ulrike Diener von der Polizei Halle, dass es noch keine neuen Erkenntnisse gebe. “Man war heute noch einmal vor Ort und hat nochmal Spuren gesichert. Es gibt bisher keine Hinweise auf den oder die Täter und die Auswertung der Spuren hält an. Wir ermitteln wegen des Tatbestands der Sachbeschädigung.” Um was für eine Waffe es sich handele, könne man nicht sagen. Es fanden sich keine Projektile am Tatort. Ob es sich um ein politisches Motiv handele, wisse man zu diesem Zeitpunkt der Ermittlungen noch nicht, es ermittle aber der politische Staatsschutz. 

Kein Einzelfall

Karamba Diaby ist aktuell der einzige schwarze Abgeordnete im deutschen Parlament und nicht der erste Politiker, dessen Büro mit einer Schusswaffe angegriffen wurde: Im April letzten Jahres wurde die Linke-Politikerin Juliane Nagel in Leipzig Opfer eines ähnlichen Angriffs. Auch bei ihr wurde mehrfach auf die Scheibe des Büros geschossen. In beiden Fällen befanden sich während des Angriffs keine Personen im Raum. 

“Nach dem Anschlag haben wir zunächst für zwei Wochen den Raum gesperrt, der ja auch von vielen Gruppen genutzt wurde. Wir wussten nicht, ob es bei dem Anschlag bleiben würde,” sagt Juliane Nagel, Linken-Abgeordnete im sächsischen Landtag, im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Bis heute ist unklar, wer die Täter waren, aber sie ist sich sicher, dass es sich um einen Täter aus dem rechten Milieu gehandelt hat. “Wir haben uns damals sehr stark gegen rechtsextreme Gruppen engagiert, da liegt das nahe.” Anders als in Diabys Fall war die Polizei in Nagels Fall von Beginn an von einem politischen Motiv ausgegangen, sagt sie. 

Auch Diaby engagiert sich stark gegen Hass und Hetze. Nach dem antisemitischen Attentat in Halle im September letzten Jahres hatte er mehr Engagement gegen Hass in den sozialen Medien gefordert. 

“Es sind schon krasse Zustände, wenn Politikerinnen und Politiker mit solch einer Wucht angegriffen werden”, kommentiert Juliane Nagel mit Blick auf den gestrigen Vorfall. Karamba Diaby kündigte der BILD gegenüber an, sich nicht einschüchtern zu lassen, und wandte sich heute am frühen Abend in der aktuellen Stunde des Bundestages zum Thema “Schutz von Kommunalpolitikern, Polizei und Rettungskräften” an die Öffentlichkeit. Er bedankte sich für die Welle der Solidarität und machte deutlich, dass die unzähligen Nachrichten an ihn zeigen, dass die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung sich eine offene Gesellschaft wünsche.