Zehntausende Menschen gingen am Samstag in Rom auf die Straße und protestierten gegen Rechtspopulismus. Die Demonstration in Italiens Hauptstadt ist der bisherige Höhepunkt der Sardinen-Bewegung, die erst vor wenigen Wochen im Internet entstand und sich nun wie ein großer Schwarm über das ganze Land verbreitet. Sie versteht sich nicht als politischer Akteur.

Es geht den Sardinen eher um eine Atmosphäre, die sich in den vergangenen Jahren auf der Apenninen-Halbinsel herausgebildet hat und dem sie sich nun mit Zivilcourage entgegenstellen wollen: gegen Menschenfeindlichkeit, Hass, Intoleranz und Rassismus. Dicht aneinandergedrängt wird protestiert. Wie Sardinen in der Dose. Das ist ihr Programm. Die Protagonisten der Bewegung sind mehrheitlich zwischen 30 und 40 Jahren. Es gibt aber auch Anhänger wie die 85-jährige Wanda Pane aus Neapel, die sich auf Facebook gerade in einem selbst gestrickten Sardinengewand mit dem Hashtag #originalneapolitansardina verewigt hat.
Im Jänner stehen Regionalwahlen in der Emilia-Romagna an.

Ex-Innenminister Matteo Salvini ist auf Wahlkampftour, seine rechtspopulistische Lega liegt laut Umfragen landesweit immer noch bei knapp 35 Prozent. Die Lega-Kandidatin hat gute Aussichten darauf, Regionalpräsidentin zu werden, ausgerechnet in der früheren Hochburg der Linken, in der die Partisanen-Tradition und „Resistenza“ immer noch eine große Rolle spielen. Das war der Auslöser für die „erste Fisch-Revolution“ der Geschichte, wie die Gründer schreiben.

Einen Nerv getroffen

Die Organisatoren haben im ganzen Land einen Nerv getroffen. Am 1. Dezember kamen die Sardinen in Mailand zusammen, in Florenz waren sie auch schon. An diesem Wochenende hatten sie sich nun also in Rom verabredet. Aber auch in Wien, Paris und Brüssel folgten viele Auslandsitaliener dem Beispiel in Rom und versammelten sich zum Protest gegen Populismus. In all diesen Städten gibt es Menschen, die offenbar ein Ventil gesucht haben, um ihren Protest gegen die immer freimütiger werdende Hetze gegen Ausländer, Juden, Homosexuelle, Frauen einzulegen. Dieser Missstand ist in Italien so offensichtlich, dass im italienischen Senat kürzlich eine Sonderkommission gebildet wurde, die Phänomene wie „Intoleranz, Rassismus, Antisemitismus und Aufstachelung zu Hass und Gewalt“ kontrastieren soll.

Vor allem in den sozialen Netzwerken kursieren Hassbotschaften, an denen auch die Politik ihren Anteil hat. Der Sprachwissenschaftler Federico Faloppa, der für Amnesty International vor der EU-Wahl im Mai ein „Hass-Barometer“ erstellte, sagt: „Es gibt keinen direkten Zusammenhang zwischen der Aggressivität der Politiker und der Entstehung von Hassrede („hate speech“). Wir haben allerdings aufseiten der Politiker eine Art versteckte Aufgeregtheit beobachtet, die explizit diskriminierende Kommentare hervorbringt.“

Salvini und seine Anti-Immigrations-Kampagnen sind dafür ein Beispiel. Als der Ex-Innenminister in Bologna auftrat, startete der Bologneser Matteo Santori mit ein paar Freunden auf Facebook die Aktion „6000 Sardinen gegen Salvini“. Der Veranstaltungssaal der Lega fasste 5600 Personen.

Auf der Piazza Maggiore in Bologna finden 6000 Personen Platz, wenn sie eng zusammenstehen, wie Ölsardinen, fanden Santori und seine Freunde heraus. „Uns gefiel die Idee, dass Personen, die sich in der Gesellschaft vielleicht einsam fühlen, ganz eng zusammenstehen“, sagte Santori. Es sei der Moment gekommen, „die Wucht der populistischen Rhetorik zu verändern“. Besonders wichtig ist den Veranstaltern, nicht in politisches Fahrwasser zu geraten. Fahnen, Parteisymbole, Beschimpfungen seien tabu.

Dass Sardinen im Mittelmeer eine eher geringe Lebenserwartung haben, besorgt die Gründer nicht. Sie weisen darauf hin, dass die Kraft einer einzelnen Sardine gleich null sei. Viel Kraft habe dieser Fisch aber im Schwarm.