Die NATO macht den Weltraum zum militärischen Einsatzgebiet. Die Außenminister des Bündnisses wollen am Mittwoch beschließen, dass das All für die Militärallianz nach Boden, Luft, See und dem Cyberspace zum fünften Einsatzbereich wird. Drohen damit ein neues Wettrüsten und militärische Konflikte im Weltraum? Und wer entwickelt bereits Waffen?

Worauf zielt die Weltraum-Strategie der NATO?

Die NATO-Verteidigungsminister hatten im Juni erstmals eine Weltraum-Strategie verabschiedet. Das Bündnis will demnach vor allem Satelliten schützen, die für seine Kommunikation bei Einsätzen, zur Navigation, für Frühwarnsysteme zu Raketenstarts und Lagebilder in Konfliktgebieten notwendig sind. Zudem soll auf die Gefahr für Satelliten durch Trümmer im All reagiert werden.

Welche Bedrohungen sieht die NATO im All?

Das Hacken und Stören von Satelliten gewinnt zunehmend an Bedeutung. NATO-Vertreter verweisen darauf, dass China und Russland Möglichkeiten zur Beeinträchtigung oder Zerstörung von Satelliten getestet haben. China hat schon 2007 demonstriert, dass es Satelliten vom Boden aus mit Raketen zerstören kann. Zum Angriff eingesetzt werden könnten heute aber auch andere Satelliten, die künstliche Erdtrabanten rammen, beschießen, sprengen oder sie durch Störsignale beeinträchtigen.

Will die NATO Weltraum-Waffen einsetzen?

"Unsere Herangehensweise ist vollkommen defensiv", versichert Generalsekretär Jens Stoltenberg. "Die NATO hat nicht die Absicht, Waffen in den Weltraum zu bringen." Tatsächlich verfügt die NATO selbst über keine Kapazitäten im All. Zwar hatte das Bündnis zwischen den 70er Jahren und Anfang des Jahrtausends noch eigene NATO-Satelliten, inzwischen nutzt das Bündnis aber nur noch Erdtrabanten der Mitgliedstaaten.

Und was ist mit den USA?

Die USA gelten weiter als führend, was Weltraum-Waffen angeht und haben auch schon Satelliten vom Boden aus zerstört. US-Präsident Donald Trump präsentierte im Jänner zudem eine neue Raketenabwehr-Strategie. Zu ihren Kernelementen gehören im Weltraum stationierte Waffensysteme gegen besonders schnelle Überschallraketen, die von Russland und China entwickelt werden. Im August kündigte Trump zudem ein militärisches "Weltraumkommando" an.

Gibt es auch andere NATO-Mitglieder, die Weltraum-Waffen entwickeln?

Frankreich hat im Juli die Gründung eines Weltraumkommandos verkündet. Das Land wolle künftig seine Satelliten "auf aktive Weise" schützen, sagte Präsident Emmanuel Macron. Verteidigungsministerin Florence Parly gab die Entwicklung von Laser-Waffen bekannt. "Wenn unsere Satelliten bedroht sind, wollen wir die Satelliten unserer Gegner blenden", sagte sie. Nach Angaben aus französischen Regierungskreisen werden auch "Maschinengewehre" erwogen, um angreifende Satelliten auszuschalten. Beide Waffensysteme sollen auf Kleinstsatelliten montiert sein, die im Orbit patrouillieren.

Ist die Stationierung von Waffen im Weltall überhaupt erlaubt?

Nach dem Weltraumvertrag von 1967, den auch die USA, Russland, China und Frankreich unterzeichnet haben, soll die Erforschung des Alls "friedlich" erfolgen. Ausdrücklich verboten ist nach Artikel 4 die Stationierung von "Atomwaffen oder jeglicher Art von Massenvernichtungswaffen". Auf dem Mond und anderen Himmelskörpern untersagt sind zudem Militärbasen, Befestigungsanlagen, Waffentests oder Militärübungen. Auf Satelliten oder Raumschiffen stationierte konventionelle Waffen sind damit nicht erfasst.

Könnte durch die neue NATO-Strategie der Bündnisfall im Weltraum ausgelöst werden?

Der Bündnisfall ist in Artikel 5 des NATO-Vertrags geregelt. Er legt fest, dass die NATO-Partner Beistand leisten, wenn ein bewaffneter Angriff "gegen einen oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika" erfolgt. Nach dem Wortlaut würde die Zerstörung eines Satelliten im All nicht darunter fallen.

Allerdings gilt der NATO-Vertrag seit 1949 fast unverändert und ist nicht an heutige Waffentechnologien angepasst worden. Generalsekretär Stoltenberg antwortete am Dienstag zum Weltraum ausweichend: Über militärischen Beistand entscheide die NATO "von Fall zu Fall", sagte er. "Und wir wollen möglichen Gegnern nicht den Vorteil geben klarzustellen, was die Schwelle für die Auslösung von Artikel 5 ist".