In den Ermittlungen gegen US-Präsident Donald Trump hat am Mittwoch eine neue Phase begonnen. Als erster Zeuge war in Washington William Taylor geladen, um bereits das zweite Mal vor dem Geheimdienstkomitee des US-Repräsentantenhauses aussagen.

Taylor, der aktuell höchstrangige US-Diplomat in der Ukraine, hatte bereits bei seinem ersten Auftritt vor dem Kongressausschuss das amerikanische Staatsoberhaupt schwer belastet. Trotzdem wurde auch seine zweite Vernehmung durch das Gremium mit Spannung erwartet.US-Medien sprachen von einem "historischen" Ereignis. Denn diesmal waren Kameras mit im Raum, die seinen Auftritt live in alle Welt übertrugen.

Und Taylor enttäuschte die hohen Erwartungen nicht: Er warf Trumps persönlichem Anwalt Rudy Giuliani vor, er habe einen "irregulären" diplomatischen Kanal nach Kiew gelegt, der die offiziellen Beziehungen der US-Regierung mit der Ukraine untergraben habe. Über dessen Nebenkanal nach Kiew sei der Stopp der bereits zugesagten US-Militärhilfe für die Ukraine betrieben worden, sagte Taylor. Er sagte weiter, er habe die US-Regierung damals über seine Ansicht informiert, "dass es verrückt wäre, Sicherheitshilfen im Gegenzug für Hilfe bei einer innenpolitischen Kampagne in den USA zurückzuhalten".

Zudem berichtete Taylor von einem Gespräch, das der US-Botschafter, Gordon Sondland, in Brüssel am 26. Juli mit Trump geführt habe. Einer seiner Mitarbeiter habe Sondland nach dem Gespräch zur Haltung des US-Präsidenten zur Ukraine befragt, sagte Taylor. Demnach habe Sondland gesagt, Trump interessiere sich mehr für mögliche Ermittlungen der Ukraine gegen Biden als für die Ukraine.

Die unheimliche Macht der Fernsehbilder

Die Impeachment-Anhörungen finden ab sofort auch in der Öffentlichkeit statt. Damit treten Bilder an die Stelle von Zitatfetzen aus seitenlangen Vernehmungsabschriften, die in den vergangenen Wochen zunehmend die Debatte geprägt hatten. Die Vorwürfe gegen Trump könnten so eine ganz neue Wucht bekommen – und so die Wiederwahl des Präsidenten behindern oder ihn gar aus dem Amt treiben. Das hoffen zumindest die Demokraten im Kongress.

Die Zeugen, so das Kalkül, verschwinden nun nicht mehr hinter technischen Funktionen, sondern werden für die Zuschauer fassbar – und damit glaubwürdiger. „Das amerikanische Volk wird aus erster Hand vom Fehlverhalten des Präsidenten erfahren“, so Demokrat Adam Schiff, der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses.

Die Strategie ist so alt wie das Impeachment selbst. Bereits das erste Amtsenthebungsverfahren gegen einen US-Präsidenten im Jahr 1868 entwickelte sich zu einem öffentlichen Spektakel. Als der Senat über Andrew Johnson zu Gericht saß, verteilte die Kongresskammer Eintrittskarten, die mehr an einen Zirkus denn an ein gesetztes administratives Vorgehen erinnerten. Die öffentliche Meinung hatte sich da längst gegen den Präsidenten gedreht. Am Ende fehlte nur eine Stimme, um ihn aus dem Amt zu entfernen. Zur Wahl im selben Jahr trat er gar nicht mehr an.

Mehr als 100 Jahre später, als der Kongress 1973 die Ermittlungen gegen Präsident Richard Nixon aufnahm, übertrug der Fernsehsender PBS 51 Nächte lang die Anhörungen in voller Länge. Und die Öffentlichkeit war interessiert. Mehr als 70 Prozent der Amerikaner gaben damals an, zumindest einen Teil der Aussagen im TV verfolgt zu haben. Je länger die Impeachment-Show andauerte, desto tiefer sanken Nixons Zustimmungswerte. Gleichzeitig stieg die Unterstützung für das Amtsenthebungsverfahren. Als Nixon im August 1974 schließlich zurücktrat, hatte er einen enormen Teil der amerikanischen Öffentlichkeit längst gegen sich.

Doch gelten diese Mechanismen auch für Trump? Schließlich ist die mediale Landschaft der 1970er-Jahre mit der heutigen nicht vergleichbar. Damals gab es vier Fernsehsender in den USA. Die Berichterstattung über das Impeachment-Verfahren war kaum zu umgehen. Auch diesmal werden Anhörungen live und in voller Länge übertragen werden – allerdings auf Spartensendern fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Die Debatte dominieren werden andere. Politisch positionierte Sender werden sich aus den Vernehmungen genau die Aspekte herausgreifen, die den Einstellungen ihres Publikums entspricht. Das macht es ausgewogener Berichterstattung schwerer, noch durchzudringen. Es ist ein Mechanismus, der es der Öffentlichkeit erschwert, sich auf eine gemeinsame Faktenbasis zu einigen. Davon profitiert Trump.

Trumps Zustimmungswerte waren nie gut

Denn trotz nunmehr fast drei Jahren voller Skandale im Amt, stehen seine Unterstützer nach wie vor fest zum Präsidenten. Seine Zustimmungswerte waren nie gut, pendelten stets um die 40 Prozent, doch sie stürzten auch nie signifikant ab. Daran änderten auch öffentliche Kongressaussagen wie etwa von Ex-Sonderermittler Robert Mueller oder Trumps Ex-Anwalt Michael Cohen bislang nichts, die beide den Präsidenten schwer belasteten.

Trotzdem sind die Anhörungen für den Präsidenten ein Risiko. Zwar sind die Aussagen mehrerer Impeachment-Zeugen bereits bekannt, doch die öffentlichen Ermittlungen könnten neue Informationen ans Licht bringen, die den Druck auf die Republikaner erhöhen könnten, Trump doch fallenzulassen. Dafür spricht derzeit wahrhaftig nicht viel, ganz auszuschließen ist es allerdings nicht. Auch Nixon entschied sich erst zum Rücktritt, nachdem eine Gruppe republikanischer Senatoren ihm die Unterstützung entzog.

Wahrscheinlicher ist, dass das Impeachment Trumps Wiederwahlkampagne belasten wird. Zwar behauptet sein Team, das Verfahren sei für sie ein Gewinner, der die Basis motiviere und säckeweise Spendengelder einbrächte. Doch diese Darstellung greift etwas kurz. So mussten die Republikaner zuletzt bei mehreren Regionalwahlen empfindliche Schlappen einstecken, obwohl sie versuchten, das Amtsenthebungsverfahren zum Abstimmungsgegenstand zu machen. Auch unterstützen nach wie vor knapp die Hälfte der Wähler ohne Parteibindung das Verfahren.

Für den Präsidenten sind diese Zahlen gefährlich. Denn allein mit dem harten Kern seiner Anhänger wird er im kommenden Jahr nicht gewinnen können. Das Impeachment raubt ihm zudem Ressourcen, die er braucht, um ehemalige Republikaner-Wähler erneut von sich zu überzeugen. Viele von ihnen, vor allem in den Vorstädten, haben der Partei wegen Trumps Amtsführung die Unterstützung entzogen. Ohne sie dürfte es für den Präsidenten sehr schwierig sein, im Weißen Haus zu verbleiben.