Rot, rot und rot. Zur Feier des Nationalfeiertags haben Chinas Propagandisten noch mehr Banner aufhängen lassen als sonst. Brennpunkt der Begeisterungsoffensive ist der Platz am Tor des Himmlischen Friedens in Peking, traditionell der Mittelpunkt des politischen Lebens im Land. Hier wird heute die Militärparade vorbeiziehen, mit der die Führung ihre Stärke demonstriert. Hier, vom Tian’anmen aus, hat Mao am 1. Oktober 1949 die Volksrepublik ausgerufen.

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Das kommunistische China wird also 70 Jahre alt. Die Propaganda muss gar nicht viel tun, um das Datum in einem guten Licht erscheinen zu lassen. Der Volksrepublik geht es glänzend, manche sagen sogar besser als je zuvor. Während die Sowjetunion im gleichen Alter um das Jahr 1987 bereits heftige Verfallserscheinungen zeigte, erfreut sich China einer stabilen Wirtschaft und genießt mehr und mehr außenpolitischen Einfluss. Das Land ist Technikvorreiter und global bestens vernetzt. Die Volksrepublik hatte eine historische Chance, die weltweit respektierte Großmacht zu werden – und hat sie verspielt. Denn wenn sie heute den 70. Gründungstag feiert, dann zeigt sie ihr wahres Gesicht. Staatschef Xi Jinping hat in seiner bisher sechsjährigen Amtszeit die demokratischen Ansätze ausgelöscht. Die zeitweise Tendenzen zu mehr Pluralismus hat er umgekehrt. Xi ist auf dem Weg, sich zum Alleinherrscher zu machen.

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Hartes Durchgreifen gegen die eigenen Leute

Wie wenig Platz noch für politische Vielfalt ist, zeigt das harte Durchgreifen in Hongkong und Xinjiang. Nach Lesart der Partei ist es jedoch ihr gutes Recht, den absoluten Herrschaftsanspruch auch dort durchzusetzen: Beide Regionen gehören zur Volksrepublik China. Ein Dialog mit den unzufriedenen Gruppen hätte die Lage in beiden Gegenden zwar entschärfen können. Doch Peking ist nicht flexibel. Ansichten, die von der Einheitslinie abweichen, dürfen keinen Raum erhalten. Alles andere empfindet die Partei als Angriff auf ihre Daseinsberechtigung. Schließlich ist sie nicht eindeutig demokratisch legitimiert.

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Infolgedessen ist das Ansehen Chinas heute in vielen Ländern schlechter als je zuvor. Die Chinesen selbst fühlen sich missverstanden. Die Seidenstraßeninitiative ist ihrer Wahrnehmung nach eine Wohltat für alle Empfängerländer. Und warum bleiben die Investitionen in Propaganda und „Soft Power“ ohne Wirkung? Schließlich haben die Europäer und Amerikaner in den vergangenen zwei Jahrhunderten eine viel egoistischere Weltpolitik betrieben.

Xi Jinping
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Blick in die Zukunft

Doch echte Imagepflege nach außen liegt der Kommunistischen Partei nicht. Sie kennt es im Inland nicht anders, als dass sie ihre Sicht der Dinge mit Gewalt durchsetzen kann. Wenn die großen Entscheidungen fallen, spielt die Botschaft ins Ausland keine Rolle mehr. China ist ein harter Machtfaktor, dem Europa mit Misstrauen begegnet.

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Chinas Führung blickt nun voraus bis zur Hundertjahresmarke im Jahr 2049. Bis dahin soll das Land technisch und wirtschaftlich voll mit USA und EU gleichgezogen haben.

Das ist durchaus realistisch. Selbst wenn der Weg dahin nicht so gerade verläuft, wie Xi sich das wünscht: China wird als globale Macht wichtig bleiben. Auch wenn den Kommunisten die Macht entgleitet, bleiben die Eckpunkte des Erfolgs bestehen: die große Bevölkerung, die gut ausgebildete Arbeitnehmerschaft, die hervorragende Infrastruktur, das Technikwissen, die Erfahrung im Welthandel.

Bisher gibt es jedoch keine Ansätze für eine Absetzung der KP. Im Gegenteil, sie perfektioniert derzeit die Überwachung, Unterdrückung und Propaganda mit neuesten technischen Möglichkeiten. Siebzig Jahre nach ihrer Gründung steht die Volksrepublik überraschend stark da. Und sie wirkt ausgesprochen gefährlich.

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