Nach Auszählung fast aller Stimmen in Israel liegen Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und sein wichtigster Herausforderer Benny Gantz Medienberichten zufolge gleichauf. Wie mehrere Medien am Mittwoch übereinstimmend meldeten, kommen sowohl Netanyahus rechtsgerichteter Likud als auch die Liste Blau-Weiß von Ex-Generalstabschef Gantz auf 32 Sitze im Parlament.

Demnach wurden nach der Parlamentswahl vom Dienstag inzwischen mehr als 92 Prozent der Stimmzettel ausgezählt. Somit erreichen weder der Likud und seine traditionellen Verbündeten noch Gantz' Lager die Mehrheit von 61 Sitzen in der Knesset. Es zeichnet sich eine schwierige Regierungsbildung ab.

Der Königsmacher

In Stimmen lag Likud bei 28,2 Prozent, Blau-Weiß auf 27,6 Prozent. Der rechts-religiöse Block kommt auf 56 Mandate, der Mitte-Links-Block auf 55. Königsmacher ist damit die säkulare Rechtspartei "Israel Beitenu" (Unser Haus Israel) von Ex-Außenminister Avigdor Lieberman mit neun Mandaten. Dieser bekräftigte am Mittwoch seine Forderung nach einer Einheitsregierung der beiden großen Parteien und seiner Partei.

"Starke zionistische Regierung"

Auch Gantz sprach sich in der Wahlnacht für eine "breite Einheitsregierung" aus und kündigte Gespräche unter anderem mit Lieberman an. Netanyahu wollte sich nicht geschlagen geben. Vor Anhängern in Tel Aviv kündigte er Verhandlungen über die Bildung einer "starken, zionistischen Regierung" an. Dabei warnte er mit Blick auf seinen Kontrahenten Gantz vor einer Regierung, die sich auf "arabische, anti-zionistische Parteien" stütze.

Die Vereinigte Liste der arabischen Parteien, die nach den Teilergebnissen 12 Mandate erreichte, war die Überraschung der Wahl. Sollte es zu einer Großen Koalition kommen, wäre sie die größte Oppositionspartei und hätte damit besondere Rechte wie etwa jenes auf regelmäßige Geheimdienst-Briefings. Die arabischen Parteien werden von ihren jüdischen Mitbewerbern kritisch gesehen, weil ihnen mangelnde Loyalität zum Staate Israel vorgeworfen wird. Umgekehrt beklagen sich viele Araber, die 20 Prozent der Wahlberechtigten ausmachen, darüber, als Bürger zweiter Klasse behandelt zu werden.

Machterhalt

Für Netanyahu, der mit gut 13 Jahren an der Regierungsspitze der am längsten amtierende Ministerpräsident Israels ist, ging es bei der Wahl um den Machterhalt. Nachdem es ihm nach der Parlamentswahl im April nicht gelungen war, eine Koalition zu bilden, hatte er vorgezogene Neuwahlen angesetzt.

Eine Schlüsselrolle kommt nun Präsident Reuven Rivlin zu. Der aus dem Likud stammende Politiker muss entscheiden, wen er mit der Regierungsbildung beauftragt. Dazu holt er sich von allen Fraktionen Empfehlungen für das Amt des Ministerpräsidenten ein. Wer danach die größten Chancen zur Bildung einer Regierungskoalition hat, erhält dafür zunächst vier Wochen Zeit. Üblicherweise erhält den Auftrag der Vorsitzende der Fraktion mit den meisten Stimmen. Mit einer neuen Regierung wird frühestens Ende Oktober gerechnet.