Der Schlachtruf für den Präsidentschaftswahlkampf im nächsten Jahr in den Vereinigten Staaten scheint unter den Anhängern von Donald Trump schon jetzt gesichert zu sein. „Schickt sie zurück“, hallte es während einer Wahlkampfveranstaltung in Greenville in North Carolina vor zwei Wochen im Chor von einer tobenden Menge. Angestachelt von Trump haben seine Anhänger ein neues Feindbild: die demokratische Abgeordnete Ilhan Omar und drei ihrer Parteikolleginnen: Alexandria Ocasio-Cortez, Rashida Talib, und Ayanna Pressley.

Die vier Politikerinnen, die alle dem progressiven, linken Flügel der Demokratischen Partei zugeordnet werden und die in den amerikanischen Medien als „Squad“– „die Riege“ – bekannt sind, werden von Donald Trump als unamerikanische und „gefährliche, militante, harte Linke“ abgekanzelt, die in ihre „total kaputten und von Kriminalität verseuchten“ Heimatländer zurückgehen sollen.

Am Wochenende griff Trump auch noch den demokratischen Abgeordneten Elijah Cummings an und bezeichnete dessen Wahlkreis als „ekliges, von Ratten und Nagetier verseuchtes Durcheinander“. Die vier Abgeordneten der „Riege“ sind allesamt US-Staatsbürgerinnen mit Migrationshintergrund; Cummings ist Afroamerikaner.

Vierköpfige Riege mit klaren Zielen

Hintergrund der Attacke Trumps ist die heftige Kritik der „Riege“ und progressiver Demokraten wie Cummings an der strengen Einwanderungspolitik des Präsidenten. Wie bereits unter George Bush und Barack Obama werden Menschen, die illegal die Grenze überqueren, als Kriminelle eingestuft und in Haftanstalten, die Ocasio-Cortez auch als „Konzentrationslager“ bezeichnet, eingesperrt, ehe sie entweder gleich abgeschoben oder einem Gericht vorgeführt werden. Unter Trump hat die strafrechtliche Verfolgung von Immigranten oberste Priorität. Das Ziel der „Riege“ hingegen ist die Abschaffung des Delikts des illegalen Grenzübertritts und die Auflösung der Einwanderungspolitik-Agentur ICE.

Mit seinen jüngsten verbalen Angriffen verfolgt der Präsident eine gezielte Strategie. Das Establishment der Demokraten soll sich mit der „Riege“ solidarisch erklären, dann kann er die vier Abgeordneten als das „wahre Gesicht“ der Demokratischen Partei im Präsidentschaftswahlkampf hochstilisieren. Das Resultat: Trump kann nach Gutdünken die Demokraten als die Partei, die für den antiamerikanischen Sozialismus und offene Grenzen einsteht, schmähen. Ocasio-Cortez bezeichnet sich im Übrigen als „demokratische Sozialistin“.

Trump buhlt um weiße Wechselwähler

Dadurch will Trump nicht nur seine Stammwählerschaft mobilisieren, sondern auch Wechselwähler in den „Swing States“ gewinnen. Denn die „Riege“ hat zwar Unterstützung unter den überproportional repräsentierten progressiven Aktivisten in sozialen Netzwerken und in den „Mainstream Media“, aber ihre politischen Ansichten sind unter moderaten Demokraten und unabhängigen Wählern nicht sehr populär.

Trump hat nicht ganz unrecht, wenn er die Partei mit der „Riege“ gleichsetzt. Die „Squad“ ist die Speerspitze eines progressiven Linksdralls der Demokratischen Partei, der auch deren Präsidentschaftsbewerber erfasst hat. In den Vorwahlen sind in der Wählerschaft progressive Aktivisten im Gegensatz zur eigentlichen Wahl im November 2020 überrepräsentiert. Ein Bewerber, der die Progressiven für sich gewinnen kann, wird sich durchsetzen und letztendlich gegen Trump antreten können.

Das erklärt, warum sich bei der ersten Vorwahlkampfdebatte der Demokraten im Juni die Mehrheit der Bewerber bereit erklärte, illegale Grenzübertritte zu entkriminalisieren und eine kostenlose staatliche Krankenversicherung für alle Einwanderer einzuführen. Ein Großteil der Amerikaner lehnt dies jedoch ab. Dem demokratischen Kandidaten, wer immer es sein mag, steht ein schwieriger Spagat bevor: Auf der einen Seite muss der progressive Flügel besänftigt, auf der anderen Seite darf der moderate Zweig nicht abgeschreckt werden.

Das wird umso schwieriger werden, als der eigentliche Streitpunkt – die US-Migrationspolitik – tatsächlich in der Krise steckt. Fast 20 Jahre lang gingen die Aufgriffe an der amerikanisch-mexikanischen Grenze zurück, doch im letzten Quartal 2018 und im Jahr 2019 sind sie sprunghaft angestiegen. Gab es 2018, laut der US-Grenzschutzbehörde, 303.000 Aufgriffe, sind es heuer bereits über 690.000. Erstmals seit 2006 wird 2019 wohl die Millionengrenze überschritten.

Katastrophale Zustände in den Lagern

Die texanischen Auffanglager an der Südgrenze sind überfüllt, die Lebensbedingungen teils menschenunwürdig. Die Lage an der Grenze zeugt von einem Systemversagen der Politik. Demokraten und Republikaner können sich nicht auf eine Reform des Migrationsrechtes einigen. Im Moment kann jeder um Asyl ansuchen, der Opfer von Bandenkriminalität oder häuslicher Gewalt ist. Nur bei einer Minderheit kann dies wirklich nachgewiesen werden. Viele tauchen daher nach der Erstaufnahme unter: Über 10 Millionen illegale Einwanderer halten sich derzeit laut Schätzungen in den Vereinigten Staaten auf.

Ohne grundlegende Reformen, die bessere Möglichkeiten für legale Wirtschaftsmigration bieten, die laut Umfragen den eigentlichen Hauptgrund für die Mehrheit der Einwanderer darstellen, wird das Asylrecht weiterhin der einzige Weg für viele Zentral- und Südamerikaner in die USA bleiben.

Trump profitiert politisch von der illegalen Einwanderung. Er schürt die Angst unter vielen weißen Wählern, die 2020 noch immer fast 70 Prozent der Wählerschaft sein werden. Durch das Wahlkollegium sind sie der Schlüssel zum Weißen Haus, und Trump dominiert diese Wählergruppe in den wichtigen „Swing States“, allen voran Wisconsin, nach wie vor. Seine „Law and Order“- Botschaft zu illegalen Grenzübertritten ist klarer als die der Demokraten, wo sich das Establishment unter Nancy Pelosi mit der „Riege“ seit Monaten einen Schlagabtausch um eine klare Parteilinie liefert.

Die Republikanische Partei dagegen steht mittlerweile geschlossen hinter dem Präsidenten. Sie ist seine Partei geworden. In diesem Aspekt stimmen Donald Trump und die „Riege“ zumindest überein.