Spaniens geschäftsführender Ministerpräsident Pedro Sanchez (PSOE) hat am Dienstag erwartungsgemäß keine ausreichende Mehrheit für seine Wiederwahl zum Regierungschef erhalten. Lediglich seine 123 sozialistischen Abgeordneten sowie der Vertreter einer kantabrischen Regionalparteien unterstützten Sanchez.

Wie angekündigt, stimmten die Parlamentarier der konservativen Volkspartei (PP), der konservativ-liberalen Ciudadanos und der neuen rechtspopulistischen Vox-Partei gegen die Kandidatur des Sozialisten. Auch verschiedene Regionalparteien sowie die beiden katalanischen Separatistenparteien, Carles Puigdemonts JxCat und die Linksrepublikaner der ERC, sprachen sich gegen Sanchez aus. Die linke Parteiallianz Unidas Podemos (UP), die baskischen Nationalisten PNV sowie die valencianische Compromis enthielten sich.

Sanchez hätte im ersten Abstimmungsverfahren eine absolute Mehrheit von 176 der 350 Stimmen gebraucht. Am Donnerstag findet nun der zweite Wahlgang statt, bei dem der Sozialist zur Wiederwahl mehr "Ja"- als "Nein"-Stimmen reichen. Sanchez hat also 48 Stunden Zeit, zu verhandeln.

Problem mit den baskischen Nationalisten

Mit den baskischen Nationalisten dürfte es die wenigsten Probleme geben. Sanchez, der bei den vorgezogenen Parlamentswahlen vor drei Monaten einen klaren Wahlsieg erreichte, die absolute Mehrheit aber verfehlte, einigte sich mit den gemäßigten Nationalisten bereits auf verschiedene Investitionsprojekte in der nordspanischen Region, für welche die dort regierenden Nationalisten ihm eventuell am Donnerstag ihre 6 Stimmen geben.

Aber das reicht nicht. Klar sind für den kommenden Donnerstag die 147 Nein-Stimmungen der rechts-konservativen Oppositionsparteien PP, Ciudadanos und Vox. Diese Abgeordnetenzahl muss Sanchez mindestens überbieten. Sanchez ist also auf die 42 Stimmen von Unidas Podemos angewiesen, mit denen er 165 Ja-Stimmen erreichen würde.

UP-Chef Pablo Iglesias fordert dafür aber Minimum fünf Ministerien in einer Art Koalitionsregierung, zu der Sanchez bisher nicht bereit ist. "Es herrscht viel Misstrauen zwischen Sanchez und Iglesias. Podemos war in den vergangenen fünf Jahren eine große Bedrohung für die sozialistische Hegemonie im linken Lager. Zudem gab es auf regionaler Ebene immer wieder Probleme beim Regieren mit der basisdemokratisch orientierten Bewegung", erklärt Politikexperte Pablo Simon im Gespräch mit der APA.

Zur Enthaltung überreden

So versuchte Sanchez die beiden konservativen Oppositionsparteien PP und Ciudadanos zur Enthaltung aufzufordern. Strategisch gab er ihnen die Verantwortung für Neuwahlen oder eine sozialistische Regierung, die sich auf separatistische Parteien stützen muss. Doch PP-Chef Pablo Casado und Ciudadanos-Vorsitzender Albert Rivera gingen nicht auf das Spiel ein.

Experten schließen eine Einigung zwischen PSOE und Podemos bis Donnerstag jedoch nicht aus. "Weder Sozialisten noch Linke sind an Neuwahlen interessiert, aus denen vor allem die Konservativen gestärkt herausgehen könnten und Podemos erneut Federn lassen müsste", so Politikexperte Simon. Zwar würden auch die Sozialisten sich verstärken können. Aber erneut auf Kosten von Unidas Podemos, was die heutige Ausgangslage nicht verbessere. Es gibt praktisch keine andere Lösung.

Ein schwieriges Projekt

Und bei einer Einigung mit Podemos ist Sanchez immer noch abhängig von der Enthaltung der beiden katalanischen Separatistenparteien. ERC und Carles Puigdemonts JxCat könnten jedoch zu einer Enthaltung neigen. "Denn bei Neuwahlen und einer eventuellen Rechts-Regierung dürfte der Wind aus Madrid noch schärfer gegen ihre Unabhängigkeitspläne wehen", meint Pablo Simon.

Dabei sind vor allem die separatistischen Linksrepublikaner der ERC daran interessiert, dass es nicht zu einem zweiten Versuch von Sanchez im September oder gar Neuwahlen im November kommt. Im September wird nämlich ein Urteil im Makro-Prozess gegen die ehemalige Mitglieder von Puigdemonts Separatistenregierung erwartet, die wegen der Durchführung des Unabhängigkeitsreferendums im Oktober 2017 unter anderem der Rebellion angeklagt sind. "Das könnte eine Enthaltung bei einem zweiten Versuch im September mit Blick auf die separatistischen Wähler in Katalonien verkomplizieren", meint der katalanische Politologe Oriol Bartomeus im APA-Gespräch.