Ursula von der Leyen ist neue EU-Kommissionspräsidentin. Sie erhielt in einer geheimen Wahl im EU-Parlament in Straßburg 383 Stimmen. Von der Leyen benötigte bei der geheimen Wahl absolute Mehrheit von 374 Stimmen. Nach der Bestätigung des Vorschlags des Europäischen Rats durch das derzeit 747 Mitglieder zählende Parlament mit absoluter Mehrheit steht nun zum ersten Mal eine Frau an der Spitze der EU-Kommission.

327 Abgeordnete stimmten gegen die Deutsche, 36 Parlamentarier enthielten sich, eine Stimme war ungültig. Von der Leyen hat sich nach ihrer Wahl bei ihren Unterstützern bedankt und Kritiker zur Zusammenarbeit aufgerufen. "Meine Botschaft an alle von ihnen lautet: Lasst uns konstruktiv zusammenarbeiten", sagte sie nach der Abstimmung im Europaparlament. Ziel müsse "ein geeintes, ein starkes Europa sein".

Zu ihrer Wahl sagte von der Leyen: "Ich fühle mich so geehrt und ich bin überwältigt und bedanke mich für das Vertrauen, das sie mir entgegengebracht haben." Die vor ihr liegenden Aufgaben erfüllten sie mit Demut. "Das ist eine große Verantwortung und die beginnt jetzt", sagte sie in dem kurzen, in englischer Sprache gehaltenen, Redebeitrag.

Das knappe Ergebnis bei ihrer Wahl sieht sie nicht als Problem. "In der Demokratie ist die Mehrheit die Mehrheit." Es sei gelungen, eine pro-europäische Mehrheit zu formieren. Vor zwei Wochen, direkt nach ihrer Nominierung durch die Staats- und Regierungschefs, hätte sie vermutlich noch keine Mehrheit gehabt.

Nachfolge von Jean-Claude Juncker

Die CDU-Politikerin war im Europawahlkampf nicht als Spitzenkandidatin angetreten. Eine Mehrheit des Europaparlaments hatte darauf gedrungen, dass der Kommissionspräsident aus dem Kreis der Spitzenkandidaten gewählt wird. Die Staats- und Regierungschefs nominierten aber von der Leyen für die Nachfolge von Jean-Claude Juncker, was im Parlament auf Kritik stieß.

Als Kommissionspräsidentin kann von der Leyen in den nächsten fünf Jahren politische Linien und Prioritäten mitbestimmen. Sie wird Chefin von mehr als 30.000 Mitarbeitern in der Kommission. Diese ist dafür zuständig, Gesetzesvorschläge zu machen und die Einhaltung von EU-Recht in den einzelnen Staaten zu überwachen. Sie bestimmt damit auch den Alltag der gut 500 Millionen Europäer mit.

Rede mit Leitlinien

Zuvor hatte von der Leyen in einer Rede vor dem Parlament in Straßburg Europas Einheit und Zusammenhalt beschworen. Zudem wiederholte sie eine Reihe von Zusagen, die sie in den vergangenen Tagen an die Abgeordneten gemacht hatte.

Vor allem bekräftigte sie ihr Versprechen eines klimaneutralen Europas bis 2050 und einer Senkung der Treibhausgasemission bis um 55 Prozent bis 2030.

Große Internetkonzerne sollen nach ihrem Willen in Europa stärker besteuert werden. "Es ist nicht akzeptabel, dass sie Profite machen und keine Steuern zahlen", sagte sie. Die Einführung einer Digitalsteuer in Europa war unter der Kommission von Juncker am Widerstand einiger Staaten gescheitert. Sie sagte zudem vollen Einsatz der Kommission für die Rechtsstaatlichkeit zu - mit allen Instrumenten und mit einem neuen Rechtsstaatsmechanismus.

Sie schloss auch eine weitere Verschiebung des Brexits nicht aus - was Protestrufe der Brexit-Partei im Parlament auslöste. Eine Verlängerung der Austrittsfrist für Großbritannien wäre möglich, wenn es gute Gründe gäbe, sagte sie. Die Frist läuft derzeit bis 31. Oktober.

Ihre politischen Leitlinien legte von der Leyen in einem am Dienstag veröffentlichten mehr als 20-seitigen Dokument dar. Unter der Überschrift "Eine Union, die mehr erreichen will - Meine Agenda für Europa" führt sie darin als Arbeitsschwerpunkte unter anderem den Klimaschutz, die Wirtschafts- und Migrationspolitik sowie die Rolle der EU in der Welt an. "Ich sehe die kommenden fünf Jahre als Chance für Europa - um zu Hause über sich hinauszuwachsen und damit eine Führungsrolle in der Welt zu übernehmen", schreibt von der Leyen darin.