Der Iran reichert Uran auf 4,5 Prozent an, habe die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA/IAEO) den Mitgliedsstaaten in Wien mitgeteilt, sagten mit den Zahlen vertraute Diplomaten am Mittwoch. Gemäß dem Atomabkommen darf Teheran Uran nur noch auf 3,67 Prozent anreichern. Zuvor hatte die IAEA nur mitgeteilt, dass der Iran über der 3,67-Prozent-Grenze liege.

Außerdem teilte die IAEA am Mittwoch mit, dass der Iran nun über 213,5 Kilogramm an angereichertem Uran verfüge. Laut Atomdeal seien aber nur 202,8 Kilogramm erlaubt. Am 1. Juli habe der Iran erst über 205 Kilogramm angereichertes Uran verfügt. Diese Daten seien am Dienstag bestätigt worden, sagten drei Diplomaten.

Diplomaten aus 35 Ländern wollen am Mittwoch in Wien über die jüngste Zuspitzung im Atom-Konflikt mit dem Iran beraten. Der Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) kommt in einer Sondersitzung zusammen, um sich von IAEA-Chef Yukiya Amano unterrichten zu lassen.

Beschlüsse des Spitzengremiums der UN-Behörde werden nicht erwartet. Es wird davon ausgegangen, dass die verbliebenen Partner des Atomabkommens erneut an Teheran appellieren, seine Schritte rückgängig zu machen. Die USA dürften ihre Kritik an dem Abkommen und an der Rolle des Iran in der Region vorbringen.

Die Außenminister von Deutschland, Frankreich und Großbritannien riefen den Iran bereits am Dienstag gemeinsam mit EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini zur Einhaltung des internationalen Atomabkommens auf. Dass der Iran derzeit mehrere seiner Verpflichtungen nicht mehr einhalte und begonnen habe, Uran über die im Abkommen festgelegte Höchstgrenze hinaus anzureichern, sei Anlass für tiefe Besorgnis, hieß es in einer Erklärung. Wenn das Land wie zuletzt bekräftigt am Abkommen festhalten wolle, müsse es auch dementsprechend handeln und diese Schritte zurücknehmen.

Isolation beenden

Um die Streitfragen zu klären soll nach dem Willen der EU-Staaten nun umgehend eine Sitzung der sogenannten Joint Commission einberufen werden. In diesem Gremium erörtern Vertreter der Vertragsstaaten Fragen der Umsetzung und der Auslegung des Abkommens, das den Iran am Bau einer Atombombe hindern und zugleich dessen politische und wirtschaftliche Isolation beenden soll.

Mit der Erklärung reagierten der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) und seine Kollegen darauf, dass der Iran in den vergangenen zehn Tagen demonstrativ gegen zwei zentrale Auflagen des Abkommens von 2015 verstoßen hat. Die Islamische Republik überschritt die Menge an erlaubtem Uran und die Obergrenze bei dessen Anreicherung.

Mit diesem Teilausstieg will Teheran die verbliebenen Partner des Abkommens dazu drängen, auf seine Wünsche der wirtschaftlichen Zusammenarbeit einzugehen. Dieses Ziel ist durch den Ausstieg der USA und die drastischen US-Sanktionen unter anderem gegen den Ölexport Irans sehr schwierig zu erreichen. US-Präsident Donald Trump lehnt die Vereinbarung als ungenügend ab.

Appelle an den Iran

Deutschland und die anderen EU-Staaten appellieren deswegen nicht nur an den Iran. "Wir rufen alle Seiten auf, sich verantwortungsbewusst darum zu bemühen, die fortdauernden Spannungen im Zusammenhang mit Irans Nukleartätigkeiten abzubauen", heißt es in der am Dienstag veröffentlichten Erklärung.

Der Iran hatte zuvor auch die EU über seine Entscheidung für eine höhere Urananreicherung informiert. Medienangaben zufolge teilte Außenminister Mohammad Javad Zarif in einem Schreiben an die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini mit, dass der Iran sich nicht mehr an die im Wiener Atomabkommen festgelegte Obergrenze von 3,67 Prozent halten werde. In dem Schreiben habe Zarif erneut betont, dass der Iran die Verpflichtungen aus dem Vertrag wieder erfüllen werde, sobald auch die anderen Vertragsparteien, vor allem die USA, ihren Verpflichtungen nachkämen. Sollte dies nicht binnen 60 Tagen geschehen, werde der Iran Anfang September die dritte Phase des Teilausstiegs beginnen.

Die Urananreicherung soll bis September fünf Prozent nicht überschreiten. Sollte es zur dritten Phase des Ausstiegs kommen, werde dann Uran bis auf 20 Prozent angereichert, hieß es in Teheran. Für eine Atombombe sind 90 Prozent nötig. Außerdem soll der Schwerwasserreaktor Arak in Zentraliran reaktiviert werden, der theoretisch zur Plutoniumerzeugung dienen könnte. Parallel zu den Drohungen will der Iran jedoch diplomatische Kanäle offenhalten.

Diplomatie aktiviert

Inzwischen gibt es zahlreiche diplomatische Aktivitäten, um das Scheitern des Atomabkommens doch noch zu verhindern. So finden nach Angaben aus Teheran diese Woche bilaterale Gespräche mit Frankreich statt. Die Außenminister aus Russland, China, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und dem Iran wollen voraussichtlich Ende Juli tagen. Angesichts eines drohenden Wettrüstens im Nahen Osten im Fall eines Scheiterns der Vereinbarung wollen die verbliebenen Partner eigentlich an dem Deal festhalten. Der Iran besteht dabei aber auf Einhaltung einstiger Zusagen.

Der Gouverneursrat ist das wichtigste Kontrollorgan der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). Diese wacht seit 1957 von Wien aus über die Einhaltung des Atomwaffensperrvertrages und die Sicherheit der Kernkraftwerke in den 164 Mitgliedstaaten. Im Zusammenhang mit dem Atomabkommen hat die Behörde seit Anfang 2016 die Aufgabe, die Einhaltung aller Vereinbarung streng zu überwachen. In den Quartalsberichten der IAEA war dem Iran bisher stets bescheinigt worden, dass er alle Vorgaben einhält.