Ungeachtet der Warnungen der Europäer vor einer Aushöhlung des Wiener Atomabkommens hat der Iran seinen Willen bekräftigt, ab Sonntag "unbegrenzt" Uran anzureichern. "Am 7. Juli wird unser Anreicherungsgrad nicht länger 3,67 Prozent sein. Wir werden diese Verpflichtung beiseitelegen", sagte der iranische Präsident Hassan Rouhani bei einer Kabinettssitzung am Mittwoch.

Teheran erhöht damit den Druck auf seine Vertragspartner, ihm weiter entgegenzukommen. Der Iran werde in Zukunft Uran auf ein solches Niveau anreichern, "wie wir wollen, wie es notwendig ist", sagte Rouhani. Der Schritt könne "binnen Stunden" rückgängig gemacht werden, wenn die anderen Vertragspartner "ihre eigenen Verpflichtungen erfüllen". Der Iran hatte sich im internationalen Atomabkommen von 2015 bereit erklärt, sein Atomprogramm zu reduzieren, wenn USA, EU und UNO dafür ihre Wirtschaftsblockade aufheben.

Atomabkommen

Im Mai 2018 verkündete US-Präsident Donald Trump jedoch den Ausstieg seines Landes aus dem Atomabkommen und verhängte schmerzhafte Finanz- und Handelsbeschränkungen. Der Iran sieht diese Sanktionspolitik als "Wirtschaftskrieg" und droht, seinerseits das Atomabkommen zu verlassen, wenn die verbliebenen Vertragspartner nicht dafür sorgen, dass er die versprochenen wirtschaftlichen Vorteile erhält.

In Reaktion auf den Ausstieg der USA kündigte Rouhani Anfang Mai an, gewisse Bestimmungen nicht länger einzuhalten. Am Dienstag überschritt der Iran die zulässige Menge niedrig angereicherten Urans und verstieß damit erstmals gegen das Atomabkommen. Mit der Ausweitung der Urananreicherung ab Sonntag geht Teheran nun einen zweiten Schritt. Gemäß dem Atomdeal darf der Iran Uran maximal auf 3,67 Prozent anreichern.

Rouhani erneuerte am Mittwoch auch die Ankündigung, den Bau des Schwerwasserreaktors in Arak wieder aufzunehmen, um darin Plutonium produzieren zu können. Trumps Warnung, der Iran spiele mit dem Verstoß gegen den Atomdeal "mit dem Feuer", wies der iranische Präsident zurück. Es seien die USA, die das Feuer entzündet hätten, und sie müssten es löschen, indem sie zum Atomabkommen zurückkehrten, sagte er.

Iranischer Verstoß

Die verbliebenen Vertragspartner hatten den iranischen Verstoß gegen das Abkommen am Dienstag kritisiert. Deutschland, Frankreich und Großbritannien zeigten sich "extrem besorgt" über den Schritt und forderten Teheran auf, ihn rückgängig zu machen. Russland äußerte sein Bedauern, machte aber die USA verantwortlich. Israel forderte die Europäer auf, wegen der Verletzung des Atomabkommens Sanktionen gegen den Iran zu verhängen.

"Wir werden dem Atomabkommen verpflichtet bleiben, solange die anderen Parteien ihm verpflichtet sind", sagte Rouhani nun. Das europäische Zahlungsinstrument Instex, das die Abwicklung des Handels mit humanitären Gütern ermöglichen soll, nannte er "leer". Solange der Iran darüber nicht sein Öl verkaufen könne, sei es sinnlos. Instex hatte vergangene Woche nach monatelanger Vorbereitung die Arbeit aufgenommen.

Der deutsche Außenamtssprecher Rainer Breul sagte in Reaktion auf Rouhani, die deutsche Regierung reagiere nicht auf Ankündigungen. "Wir erwarten vom Iran, sich an das Abkommen zu halten", betonte er. Das französische Außenministerium warnte, "der Iran wird nichts gewinnen, indem er das Wiener Abkommen verlässt". Wenn er die Vereinbarung infrage stelle, werde er nur die ohnehin großen Spannungen in der Region verschärfen.