Den Staats- und Regierungschefs der EU stehen am heutigen Donnerstag harte Verhandlungen bevor. Denn die Spitzenpolitiker wollen sich nicht nur auf ein Personalpaket für die Topjobs in der Union einigen, sondern auch einen Konsens beim Thema Klimaneutralität bis 2050 erzielen. Hier habe es zuletzt Fortschritte gegeben, hieß es am Mittwoch aus hohen Ratskreisen.

Terminprobleme

Sollte es heute abend im Zuge des gemeinsamen Abendessens keinen Kompromiss geben, steht ein Sonder-Gipfel noch vor der konstituierenden Parlamentssitzung am 2. Juli im Raum. Das Zeitfenster dafür ist aber klein, denn am 28. und 29. Juni findet der G20-Gipfel im japanischen Osaka statt, wo einige Staats- und Regierungschefs teilnehmen. Bliebe also nur der 30. Juni oder 1. Juli als möglicher Termin.

Ein ranghoher EU-Diplomat betonte allerdings, dass man alles daran setzen wolle, bereits am Donnerstag eine Lösung zu finden. Dabei geht es nicht nur um den EU-Kommissionspräsidenten, sondern auch um die Besetzung der Präsidenten von EU-Parlament und Europäischer Zentralbank sowie des EU-Außenbeauftragten. Auf die Nennung konkreter Namen wollte man sich im Kreis um Ratspräsident Donald Tusk nicht einlassen. Spekulationen, wonach die Fraktionschefs der Parlamentsparteien signalisiert hätten, EVP-Kandidat Manfred Weber werde seitens der Abgeordneten keine Mehrheit als künftiger Kommissionschef bekommen, wurden in Ratskreisen nicht bestätigt.

Bierlein: "Ergebnisoffen"

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein betonte, bei der Verteilung der Top-Posten seien Gender-Gerechtigkeit, Transparenz sowie eine ausgewogene geografische Verteilung wichtig. Laut den EU-Verträgen sei unter anderem auch das Ergebnis der EU-Wahl zu berücksichtigen. Sie gehe "ergebnisoffen" in ihren ersten EU-Gipfel und werde unter ihren Amtskollegen den Dialog suchen. Sollten sich mehrheitsfähige Personalvorschläge von Ratspräsident Tusk "auftun, werden wir uns anschließen", sagte Bierlein.

Herausfordernd dürften zudem die Gespräche über die EU-Klimaziele für die kommenden Jahrzehnte werden, die bereits am Nachmittag auf der Agenda stehen. Konkret geht es um die Frage, ob und wie die Union bis 2050 Klimaneutralität erreichen soll. Der Klimapunkt ist der einzige noch offene Punkt in der strategischen Agenda für die nächsten fünf Jahre.

Aus dem Umfeld Tusks hieß es dazu, dass hier zuletzt unter den EU-Staaten einiges in Bewegung gekommen sei. Inzwischen gebe es eine große Mehrheit dafür - "auch in Staaten, von denen man es nicht glauben würde". Einigkeit gebe es dazu aber noch nicht.

Hauptausschuss für Ende der Türkei-Gespräche

Der Hauptausschuss des Nationalrates hat sich im Vorfeld des Brüsseler Gipfels einstimmig für einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ausgesprochen. Stattdessen sollte aus Sicht der Parlamentsfraktionen eine strategische Partnerschaft angestrebt werden.

Argumentiert wird die (für die Regierung bindende) österreichische Verhandlungsposition mit den besorgniserregenden Entwicklungen bzw. Menschenrechtsverletzungen und der undemokratischen Vorgehensweise seit dem Amtsantritt von Recep Tayyip Erdogan 2014. Kritisiert wird auch, dass der Türkei für die EU-Heranführungshilfe zwischen 2007 und 2020 Finanzhilfen von mehr als 9 Mrd. € bereitgestellt würden, die keine Wirkung zeigten.