"Prima l'Italia", Italien zuerst. So lautet der Wahlspruch der italienischen Lega von Parteichef und Innenminister Matteo Salvini. Das vom US-Präsidenten Donald Trump abgekupferte Schlagwort dürfte auch die Devise sein, mit der Salvini, der starke Mann in Rom, die jüngste Auseinandersetzung mit der EU anzugehen gedenkt. Am Mittwoch empfahl die EU-Kommission in Brüssel den EU-Finanzministern, ein Defizitverfahren gegen Italien einzuleiten. Die EU-Finanzminister müssen den Vorschlag noch absegnen.

Neuauflage der Diskussionen

Der Streit ist eine Neuauflage der Diskussionen vom vergangenen Herbst, als die Regierung aus der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung sowie der rechtsnationalen Lega ebenfalls wegen ihrer Finanzplanungen von Brüssel abgemahnt wurde. Damals lenkte das Team um Ministerpräsident Giuseppe Conte und Wirtschafts- und Finanzminister Giovanni Tria noch ein und senkte einige geplante Staatsausgaben. Diesmal deutet viel auf eine Konfrontation bis zum bitteren Ende hin.

Das liegt vor allem an Matteo Salvini und seiner Lega, die bei der EU-Wahl die Kräfteverhältnisse in Rom umkehrte. Die Lega erreichte 34 Prozent der Stimmen, die Fünf Sterne nur noch 17 Prozent, bei der Parlamentswahl vor einem Jahr war es umgekehrt. Von Salvini, der Ressentiments gegen die EU ausnutzt und schürt, gab es zunächst keine Reaktion. Am Wochenende hatte der Vizepremier im Hinblick auf das drohende Defizitverfahren allerdings getönt: "Die Wähler wollen weniger Steuern und mehr Arbeit. Wenn Europa dazu Nein sagt, werden wir sehen, wer den härteren Dickkopf hat."

Die Kraftprobe zwischen Brüssel und Rom ist also bereits angekündigt. Die Risiken sind auf beiden Seiten enorm hoch: Mit einem harten Kurs gegen die italienische Regierung riskiert Brüssel, die Populisten und unter ihnen vor allem die rechtsnationale Lega zusätzlich zu stärken. Aber auch Salvini und Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio spielen mit dem Feuer. Die Reaktion der Finanzmärkte auf den Konflikt könnte vor allem die schon überstrapazierten italienischen Staatsfinanzen in Mitleidenschaft ziehen und die Finanzierung des Staatsdefizits noch schwieriger bis unmöglich machen. Strauchelt Italien, ist auch die EU selbst vor einer Finanzkrise nicht mehr sicher. 

Die EU-Kommission bemängelt, dass sich die Haushaltsdaten seit Ende 2018 nicht wie versprochen gebessert, sondern weiter verschlechtert haben. Die Staatsschuld habe sich 2018 von 131,4 auf 132,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) erhöht. Für 2019 und 2020 erwartet die Kommission eine weitere Erhöhung des Staatsdefizits auf 133,7 und 135,2 Prozent des BIP – nach den Maastricht-Kriterien sind „nur“ 60 Prozent erlaubt. Nach Griechenland hat Italien die zweithöchste Schuldenquote der EU und sitzt auf etwa 2,3 Billionen Euro Schulden.

Prognosen trafen nicht ein

Die Prognosen der Regierung in Rom schlugen fehl: Sie erwartete Ende 2018 ein Wachstum von 1,5 Prozent. Im ersten Quartal 2019 wuchs die italienische Wirtschaft allerdings um gerade einmal 0,1 Prozent.  Dennoch oder gerade deshalb plant die Lega Steuererleichterungen im Volumen von 30 Milliarden Euro, die bereits veranschlagte Erhöhung der Mehrwertsteuer soll zurückgenommen werden. Die Maßnahmen sind in Italien populär, für ihre Verwirklichung muss das Land sich aber weiter verschulden. Dem will die EU-Kommission einen Riegel vorschieben.

Am Ende eines Strafverfahrens wegen Verstoßes gegen die Maastricht-Regeln könnten Bußgelder von 0,2 Prozent des BIP stehen, so weit kam es allerdings noch nie. Zunächst würde Brüssel Rom Auflagen zur Sanierung der Staatsfinanzen machen oder auf ein Einlenken hoffen.