Zum Jahrestag des US-Ausstiegs aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran hat der iranische Präsident Hassan Rouhani einen Teilausstieg seines Landes aus der Vereinbarung bekanntgegeben. Nach Angaben der Nachrichtenagentur ISNA informierte Rouhani in einem Schreiben die verbliebenen Vertragspartner China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Russland über die Entscheidung.

Nach dem Fastenbrechen am Abend wollte Rouhani in einem Interview des Staatssenders IRIB die Entscheidung erklären. Dann dürften auch die Reichweite des Schrittes und seine konkreten Konsequenzen deutlicher werden.

Uran und Schwerwasser

Der Nationale Sicherheitsrat des Iran teilte allerdings bereits mit, man werde jedenfalls die geltenden Einschränkungen bei den Beständen an angereichertem Uran und Schwerwasser aufheben. "Die Islamische Republik Iran sieht sich derzeit nicht verpflichtet, den Einschränkungen bei der Lagerung von angereichertem Uran und Schwerwasserreserven nachzukommen", hieß es. Den verbleibenden Parteien im Atomabkommen werde eine 60-Tagesfrist eingeräumt, "um ihren Zusagen insbesondere im Öl- und Bankensektor wieder nachzukommen", andernfalls werde der Iran weitere der eigenen Verpflichtungen aufkündigen.

Schon zuvor hatte Teheran angedeutet, dass der Iran "schrittweise seine Verpflichtungen" aus dem Abkommen "reduzieren" wolle, weil sich die Gegenseite nicht an Verpflichtungen halte. Die erste Phase der teilweisen Aussetzung soll schon in dieser Woche beginnen.

Nach Meinung von Beobachtern sind die technischen Verpflichtungen des Iran in dem Deal jedoch klar: Sie müssten entweder eingehalten werden oder nicht. Ob sie auch "reduziert" werden können, darüber müsste die Internationale Atomenergie-Agentur (IAEA) in Wien entscheiden.

Das internationale Atomabkommen kam im Juni und Juli 2015 in Wien zustande. Die Vereinbarung soll es dem Iran mit strengen internationalen Kontrollen unmöglich machen, Atomwaffen zu entwickeln. Im Gegenzug stellten die Vertragspartner, vor allem die USA, einen Abbau von Sanktionen und eine Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen in Aussicht.

Nach IAEA-Angaben hat sich der Iran seit Jänner 2016 an die Vereinbarungen gehalten und es wurden keine Verstöße gegen die Auflagen festgestellt. Die USA traten Anfang Mai 2018 unter Präsident Donald Trump einseitig aus dem unter der Vorgängerregierung erzielten internationalen Abkommen aus. Zurückgenommene Wirtschaftssanktionen wurden wieder eingeführt.

Die EU-Staaten, China und Russland halten an den Atomvereinbarungen fest. Über die Zweckgesellschaft INSTEX wollen die Europäer die US-Wirtschaftssanktionen aushebeln und den Handel mit dem Iran weiterhin ermöglichen. Die INSTEX-Initiative war jedoch bis jetzt weniger erfolgreich, weil besonders die Großbanken aus Angst vor US-Strafen keine Handelsprojekte mit dem Iran finanzieren wollen. Seit dem Ausstieg der USA aus dem Abkommen haben sich die Beziehungen zwischen Washington und Teheran weiter verschlechtert.

Bagdad statt Berlin

Am Dienstag reiste US-Außenminister Mike Pompeo überraschend in die irakische Hauptstadt Bagdad, nachdem er einen geplanten Berlin-Besuch unter Verweis auf "dringende Angelegenheiten" verschoben hatte. In Bagdad kam er am Dienstagabend zu Gesprächen mit Regierungschef Adel Abdul Mahdi und Präsident Barham Saleh über die sich verschärfende Konfrontation zwischen den USA und dem Iran zusammen. Beide Politiker hätten zugesichert, die Interessen Washingtons im Irak zu schützen, sagte Pompeo im Anschluss. Zugleich warnte er vor einem "unmittelbar bevorstehenden" Angriff des Iran.

Maas warnt vor Eskalation

Der deutsche Außenminister Heiko Maas reagierte unterdessen besorgt auf die Ankündigung Teherans. "Wir haben die Ankündigungen des Irans mit großer Sorge vernommen und werden uns das nun sehr genau anschauen", erklärte Maas am Mittwoch in Berlin. Die Bundesregierung sei dazu "in Kontakt mit den verbleibenden Teilnehmern des Nuklearabkommens".

Zugleich bekräftigte Maas den Willen der deutschen Bundesregierung, an dem Abkommen festzuhalten. "Unsere Haltung ist und bleibt: Wir wollen das Abkommen erhalten, insbesondere um zu verhindern, dass Iran in den Besitz einer Nuklearwaffe kommt." Das Nuklearabkommen sei "zentral für das weltweite Nichtverbreitungsregime und auch für unsere nationale und auch unsere gemeinsame europäische Sicherheit."

"Mit dem Schritt, den die iranische Regierung heute getan hat, sind wir nicht einverstanden", erklärte Maas.

Maas warnte vor einer Eskalation in der Region. "Es geht jetzt darum, dass alle Schritte unterlassen werden, die die regionale Stabilität und Sicherheit gefährden könnten. Das gilt auch mit Blick auf die iranische Rolle in der Region - etwa in Syrien und in Jemen - und auch das iranische Raketenprogramm, das wir für hochproblematisch halten."