In Spanien hat am Sonntag die mit Spannung erwartete Parlamentswahl begonnen. Fast 37 Millionen Spanier sind aufgerufen, ihre Stimme abzugeben.

In Umfragen lag bis zuletzt die sozialdemokratisch orientierte "Sozialistische Arbeiterpartei" (PSOE) von Ministerpräsident Pedro Sanchez (47) vorne. Jedoch ist fraglich, ob sie mit ihren möglichen Koalitionspartnern eine regierungsfähige Mehrheit erreichen wird.

Sollten die konservativen Kräfte mit der Volkspartei PP und ihrem Kandidaten Pablo Casado an der Spitze eine mehrheitsfähige Koalition bilden können, würde mit der Newcomer-Partei Vox vermutlich erstmals seit Jahrzehnten wieder eine Rechtsaußen-Partei in Madrid mitregieren. In Andalusien wurde bereits im Februar ein solcher Regierungspakt geschlossen.

Politische Blockade?

Allerdings könnte es in der viertgrößten Volkswirtschaft der Eurozone auch erneut zu einer politischen Blockade kommen, wie bereits 2016 geschehen. Damals war Spanien trotz zweier Wahlgänge innerhalb von sechs Monaten fast ein Jahr lang ohne reguläre Regierung geblieben.

Die Wahllokale schließen um 20.00 Uhr, auf den Kanarischen Inseln um 21.00 Uhr MESZ. Danach werden erste Prognosen auf der Basis von Nachwahlbefragungen erwartet.

Sanchez gab bereits kurz nach Öffnung der Wahllokale seine Stimme in Madrid ab. Er führt seit dem Sturz des konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy im Juni 2018 eine Minderheitsregierung. Sanchez musste vorgezogene Neuwahlen ausrufen, nachdem im Februar sein Budgetentwurf im Parlament gescheitert war.

Bei dem bevorstehenden Urnengang ist den Umfragen zufolge auch ein rechtes Dreier-Bündnis aus konservativer Volkspartei, rechtsliberalen Ciudadanos und der ultrarechten Partei Vox unwahrscheinlich. In einem Aufruf zu einer "nützlichen Wahl" forderte Sánchez die Wähler auf, mit Stimmen für seine Sozialisten Einfluss von Ultrarechten auf die Regierung zu verhindern.

Die Politologin Cristina Monge von der Universität Saragossa sagt, Sánchez präsentiere sich gern als Mann des Ausgleichs mit einer "Haltung der Mäßigung, Belastbarkeit Ernsthaftigkeit".

Mit taktischem Geschick hatte Sánchez im vergangenen Sommer eine Mehrheit im Parlament zusammengezimmert, um die konservative Regierung zu stürzen - obwohl seine Sozialistische Partei lediglich 84 der 350 Abgeordneten stellt. Eigentlich wollte der ehemalige Wirtschaftsprofessor bis 2020 regieren. Nach der Niederlage bei der Budgetabstimmung stand seine Minderheitsregierung aber ohne Machtoption da.

Die Regierungszeit des linken Politikers könnte damit nur ein kurzes Zwischenspiel gewesen sein. Schließlich hat er viele Kräfte gegen sich aufgebracht - die katalanischen Politiker ebenso wie die Konservativen.

Im Winter veröffentlichte Sánchez eine Autobiografie mit dem Titel "Manual de resistencia". Das lässt sich mit "Anleitung zum Widerstand", aber auch mit "Anleitung zum Durchhalten" übersetzen. Das Buch beschreibt eine politische Laufbahn, bei der es immer wieder auf Beharrungsvermögen ankam.

Sánchez ist ein politisches Stehaufmännchen

Geboren am 29. Februar 1972 in Madrid wächst Sánchez in einer gut situierten Familie auf: der Vater Unternehmer, die Mutter Beamtin. Er studiert Wirtschaft und Wirtschaftspolitik in Madrid und Brüssel.

In die sozialdemokratisch ausgerichtete Sozialistische Arbeiterpartei tritt er schon 1993 ein. Von 2004 bis 2009 Stadtrat in Madrid wird er im Jahr 2009 als Nachrücker Parlamentsabgeordneter und macht dann blitzschnell Karriere in der Partei. Im Juli 2014 bringt ihn die erste Urwahl in der Geschichte der Partei an die Spitze der PSOE.

Bei der Wahl im Dezember 2015 unterliegt "El Guapo" (der Hübsche), so sein Spitzname, dem konservativen Ministerpräsidenten Rajoy. Bei einer erneuten Parlamentswahl im Juni 2016 verzeichnen seine Sozialisten sogar ihr schlechtestes Wahlergebnis seit der Einführung der parlamentarischen Demokratie 1977. Sánchez wird als Parteivorsitzender gestürzt.

Doch schon im Mai 2017 erweist er sich als politisches Stehaufmännchen: Nach einer Werbetour durch ganz Spanien kehrt er an die Parteispitze zurück. Im Juni 2018 bringt Sánchez im Parlament einen Misstrauensantrag gegen Rajoy ein. Neben den sozialistischen Abgeordneten stimmen auch Podemos, die katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter und die baskischen Nationalisten gegen Rajoy und sprechen gleichzeitig Sánchez das Vertrauen aus.

Doch schon bald zeichnet sich ab, dass diese Mehrheit alles andere als stabil ist. Die Katalanen haben Sánchez unterstützt, weil er einen Dialog zwischen Madrid und Barcelona versprochen hat. Dieser Dialog wurde aber im Streit um ein weiteres Unabhängigkeitsreferendum für Katalonien abgebrochen. Mit seinem Dialog mit den Katalanen hat Sánchez zudem viele Vertreter des rechten Lagers gegen sich aufgebracht. Ob Sánchez seiner Autobiografie bald ein weiteres Comeback-Kapitel hinzufügen kann, wird sich am Sonntag zeigen.