Ein Flugzeugabsturz steht am Anfang: Am 6. April 1994 stirbt der ruandische Präsident Juvénal Habyarimana bei einem Anschlag auf seine Maschine. Die Garde des zum Stamm der Hutu gehörenden Präsidenten macht für die Tat verfeindete Tutsi verantwortlich. Was folgt, ist eines der blutigsten Kapitel des 20. Jahrhunderts. In nur 100 Tagen töten radikale Hutu in Ruanda 800.000 Menschen, die meisten von ihnen sind Tutsi, aber auch gemäßigte Hutu sind darunter. Hunderttausende fliehen aus dem ostafrikanischen Land, viele nach Tansania. Kleine Dörfer werden über Nacht zu Flüchtlingsstädten. Seuchen brechen aus. Die Cholera grassiert.

Trauma

Ein Vierteljahrhundert später sind die Menschen nach wie vor traumatisiert. In einem französischen Untersuchungsbericht wurde festgehalten, dass die Präsidentengarde 1994 selbst für den Raketenangriff auf das Flugzeug verantwortlich war. Habyarimana war damit also von den eigenen Leuten ermordet worden. Der Abschuss war der Auslöser für den Völkermord in Ruanda.

Welche Ausmaße die Tragödie hat, machen allerdings nicht nur die nackten Zahlen des Leids, des Tötens und der Vertreibung deutlich. Seit 25 Jahren haben Journalisten aus aller Welt das großflächige Versagen der internationalen Gemeinschaft Stück für Stück ans Licht gebracht. So hat der Journalist Arndt Peltner für die ARD-Radiosender die unrühmliche Rolle Deutschlands in dieser Krise aufgedeckt - die in Berlin bis heute nicht vollständig aufgearbeitet worden ist.

Rolle der Deutschen

Die Deutschen nehmen schon deshalb eine pikante Position bei dem Konflikt ein, weil Ruanda einst Kolonie war und deutsche Forscher Hutu und Tutsi einst als Ethnien definiert haben (siehe Hintergrund). Aus den Dokumenten, die Peltner damals zugespielt bekam, geht hervor, dass es bereits seit 1992 Hinweise auf die „systematische Vorbereitung des Völkermordes“ gab. Es lagen eindeutige Warnungen vor einer Eskalation der seit Jahren sich aufschaukelnden Lage vor. Ein entscheidendes Fehlurteil misst ein vertraulicher interner Bericht dem Botschafter zu. Dabei war Deutschland im Jahr vor dem Genozid größter Geldgeber der Regierung in Kigali und unterstützte die Regierung im Bürgerkrieg in den Jahren 1990 bis 1993 - bei dem es bereits eine Reihe von Massakern gab. Auch lehnte Berlin eine Anfrage der UNO ab, die überforderten Blauhelme zu unterstützen. Die Rolle Deutschlands steht exemplarisch für das Versagen der Weltgemeinschaft. Denn selbst die Vereinten Nationen selbst schätzten die Lage falsch ein. Der Leiter der UN-Truppen (Unamir), Roméo Dallaire, warnte in einem Fax an das Hauptquartier in New York im Jänner 1994 vor detaillierten Plänen für ein Massaker durch Milizionäre. Er bat um Aufstockung von 2500 auf 5000 Soldaten und ein robustes Mandat. Aus Furcht vor einem Desaster wie in Somalia ignorierte man aber die Bitte.

Frankreichs Waffen

Frankreich lieferte stattdessen sogar Waffen an die ruandische Regierung. Nach dem tödlichen Überfall auf die Interims-Regierungschefin und auf die sie schützenden 15 Blauhelmsoldaten im Zuge der ersten Ermordungen zogen die Belgier ihr Kontingent aus der UN-Mission ab und machten sie damit praktisch wirkungslos. Die Weltgemeinschaft schaute tatenlos zu, wie 2,5 Millionen Menschen zu Flüchtlingen wurden und knapp eine Million Menschen getötet wurden - bei nur sieben Millionen Einwohnern insgesamt. Und auch den USA kam eine unrühmliche Rolle zu: Washington bestand im UN-Sicherheitsrat darauf, dass die neuen Blauhelmkontingente erst dann entsandt werden sollten, wenn sich ein Ende der Gewalttätigkeit abzeichne.

Erst der militärische Sieg des „Front Patriotique Rwandaise“ unter Führung von Paul Kagame beendete schließlich das Massaker.