Eine der zentralen Botschaften seiner Marokko-Reise verkündete der Papst nicht auf der prunkvollen Esplanade von Rabat vor Tausenden geladenen Gästen, sondern in einem schmucklosen Raum derCaritas vor etwa 60 Migranten. "Ihr seid keine Außenseiter, ihr seid in der Herzmitte der Kirche."

Mit einem flammenden Appell forderte Papst Franziskus am Samstag die internationale Gemeinschaft auf, mehr legale Möglichkeiten für die Migration zu schaffen. Marokko ist ein wichtiges Transitland für Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa.

Bei seiner Abschlussmesse in Rabat äußerte der Pontifex am Sonntag den Wunsch, dass niemand in menschenunwürdigen Verhältnissen oder abgesondert leben müsse. Den Veranstaltern zufolge nahmen rund 10.000 Menschen an dem Gottesdienst teil, in dem Franziskus auch vor Hass und einer "kurzsichtigen, spalterischen Denkweise" warnte. In ganz Marokko fielen die katholischen Gottesdienste wegen der Papstmesse aus: Alle Katholiken waren zu der Messe in der Hauptstadt eingeladen.

Laut Vatikan sollte es die größte katholische Messesein, die je auf marokkanischem Boden gefeiert wurde. Für Franziskus war es die erste Reise nach Marokko. Vor ihm besuchte Papst Johannes Paul II. 1985 das nordafrikanische Königreich.

"Hier geht es um das Bild, das wir als Gesellschaft abgeben wollen, und um den Wert eines jeden Lebens", sagte das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche und sprach beim Umgang mit Flüchtlingen von der "großen und schweren Wunde" des 21. Jahrhunderts

Das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche war am Samstag nach Marokko gereist, um sich seinen beiden Herzensthemen zu widmen: Der Migration und dem Dialog zwischen Christen und Muslimen. Bevor sich Franziskus im Caritas-Zentrum von Rabat mit 60 Flüchtlingen traf, die sich teils legal, teils aber auch illegal in Marokko aufhalten, wurde Franziskus vom marokkanischen König Mohammed VI. empfangen.

Ungenügender Dialog zwischen den Religionen

Die Realität dieser Welt mache deutlich, dass der Dialog zwischen Christen, Muslimen und Juden ungenügend sei, sagte der König, der sich als "Oberhaupt aller Gläubigen" bezeichnet und damit auch die Minderheit der Christen und Juden in Marokko mit einschließt. "Der Dialog dauert seit langer Zeit an, und trotzdem hat er sein Ziel noch nicht erreicht", erklärte Mohammed VI. Auf dem Esplanade-Platz vor dem Hassan-Turm waren trotz strömenden Regens auch zahlreiche Migranten aus Ländern südlich der Sahara anwesend.

Papst Franziskus rief alle Gläubigen zu mehr Dialog auf, um die Probleme der Welt anzugehen. "In diesem Land, einer natürlichen Brücke zwischen Afrika und Europa, möchte ich einmal mehr die Notwendigkeit von Kooperation betonen", sagte Franziskus nach seiner Ankunft in der marokkanischen Hauptstadt Rabat. Es müssten neue Impulse für eine Welt mit größerer Solidarität gegeben werden.

Der Papst besuchte am Nachmittag auch das Mausoleum von König Mohammed V. und eine Imamschule. Die Solidarität aller Gläubigen müsse gegen Fanatismus und Extremismus stehen, sagte Franziskus. Im Krieg in Syrien haben sich auch viele Marokkaner der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) angeschlossen. Erst Ende des vergangenen Jahres wurden zwei skandinavische Studentinnen in Zentralmarokko brutal ermordet. Die Behörden sahen Hinweise auf eine Terrortat.

In Marokko ist der Islam Staatsreligion. Laut Vatikan sind dort nur rund 23.000 Menschen katholisch. Die meisten von ihnen sind zugezogen, entweder aus Europa oder vor allem aus Ländern südlich der Sahara.

Im Vorfeld des Besuchs hatten die beiden katholischen Bischöfe in Marokko auf die Schwierigkeiten für die Minderheiten in dem nordafrikanischen Land hingewiesen und damit eine Diskussion entfacht. Der Papst äußerte dagegen die Hoffnung, dass Marokko weiterhin "ein Beispiel für Menschlichkeit für Migranten und Flüchtlinge", bleibe.

Treffen mit Flüchtlingen

Am Samstagabend traf Franziskus dann ohne König Mohammed VI. Flüchtlinge aus den Ländern südlich der Sahara. Die illegale Migration und den harschen Umgang mit Flüchtlingen bezeichnete der Pontifex dabei als eine "große und schwere Wunde". Es gehe um das Bild, "das wir als Gesellschaft abgeben wollen und um den Preis eines jeden Lebens". Allein heuer sind bereits mehr als 120 Menschen beim Versuch gestorben, illegal über das Mittelmeer von Marokko nach Spanien zu gelangen.

Immer wieder wird von Nichtregierungsorganisationen auch der Umgang der marokkanischen Sicherheitskräfte mit Migranten angeprangert. Seit einiger Zeit werden Migranten aus Ländern südlich der Sahara in Bussen von der Mittelmeerküste in südliche Landesteile transportiert, um sie von den Grenzen Richtung Europa fernzuhalten.

Marokko rückte beim Thema Migration zuletzt verstärkt in den Fokus, seit die italienische Regierung seinen harten Kurs fährt und die Überfahrt von Libyen nach Italien stark erschwert ist. Die Hauptroute hat sich nach Ansicht der EU-Grenzschutzagentur Frontex inzwischen ins westliche Mittelmeer verlagert. Das spanische Festland ist von Marokko aus zwischen 15 und 150 Kilometer entfernt.

Franziskus und Mohammed veröffentlichten auch eine gemeinsame Erklärung, in der sie Jerusalem als Erbe der gesamten Menschheit, vor allem von Christen, Juden und Muslimen bezeichneten. Jerusalems "multireligiöser Charakter, geistliche Dimension und spezielle kulturelle Identität" müssten geschützt und gefördert werden, forderten die beiden. US-Präsident Donald Trump hat Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt und damit bei vielen Muslimen Empörung ausgelöst. Die Palästinenser hoffen auf einen eigenen Staat, dessen Hauptstadt das 1967 im Sechstagekrieg von den Israelis eroberte Ost-Jerusalem sein soll, während Israel Jerusalem als unteilbar betrachtet.

Für Franziskus ist es die erste Reise nach Marokko. Vor ihm besuchte Papst Johannes Paul II. 1985 das nordafrikanische Königreich. Die Reise steht auch im Kontext seines Besuchs auf der Arabischen Halbinsel Anfang Februar. Dort hatten Papst Franziskus und der Großimam der Kairoer Al-Azhar-Universität gemeinsam ein Dokument für den interreligiösen Dialog unterzeichnet.