Politische Überraschung in Thailand: Umfragen und Beobachter hatten vor den ersten Wahlen im Königreich seit acht Jahren übereinstimmend einen Sieg der Opposition erwartet. Die Zeit der Uniformierten an der Macht sei abgelaufen, hieß es, sie hätten ihr Willkommensein längst überbeansprucht, Ruhe und Stabilität zu bringen. Nach ersten Auszählungen lag die führende Oppositionspartei Puea Thai («Für Thais») Partei des exilierten ehemaligen Premiers Thaksin Shinawatra auch deutlich vorn. Drei Stunden nach Schließung der Wahlurnen begann die neue Partei des Regimes plötzlich massive Stimmenpakete zu erhalten und ließ Puea Thai bald hinter sich, bis es wieder ein Kopf-an-Kopf Rennen war. Nach 93%% ausgezählten Stimmen war das Ergebnis noch immer nicht klar, beide Parteien hielten 28% oder je rund 7 Millionen Stimmen: Wahlsieger wird entweder Puea Thai oder die eigens für diese Wahlen gegründete Palang Pracharat Partei. 

Die «Volkspartei der Staatsgewalt» ist das politische Vehikel von Putschpremier Prayuth Chan-ocha, der als demokratisch gewählter Premier an der Macht bleiben will. Zunächst sah der Stimmenvorsprung von Puea Thai wie eine Schmach für Prayuth und die Generäle aus, dann begann eine so wundersame Aufholjagd und die Junta-Partei zog gleich, dass wohl demnächst Vorwürfe des massiven Wahlbetrugs laut werden. Berichten zufolge wurden teilweise übermäßig viele Stimmen für die Junta-Partei abgegeben, 89% in einem Distrikt in Sukhothai. Vielerorts war beim Auszählen das Licht ausgefallen und Soldaten stimmten in Kolonnen ab, unter den Augen von Offizieren. Die Wahlbehörde, die Wahlergebnisse bislang immer am gleichen Tag bestätigte, will damit bis Montag zuwarten.

Kurz nach Schließung der Wahllokale, aufgrund von aktuellen Exit Polls, hatte sich Puea Thai-Führerin Sudarat Keyuraphan schon zur Siegerin ausgerufen und das Regime gemahnt, den Willen des Volkes zu respektieren. Dann erfolgte die große Wende. Nach zwei Militär- und mehreren Verfassungsputschen gegen Thaksin scheint Thailands politische Elite endlich am Ziel, den Machtapparat des verhassten Populisten in die Schranken gewiesen zu haben.

Wenig Zivilfreiheiten, dafür erhoffte Stabilität

Die thailändische Bevölkerung scheint mit dem Kompromiss zufrieden, unter einer starken Führerschaft lieber weniger Zivilfreiheiten und dafür Stabilität zu genießen. Seit dem letzten Putsch vor fünf Jahren herrschte in Thailand Politikverbot mit harscher Repression gegen Regimegegner, doch es herrschte Frieden.

Mit dem möglichen Wahlsieg oder zumindest einem respektablen Erfolg des Regimes erübrigen sich auch Bemühungen der Opposition, die Verfassung wieder umzuschreiben. Die Junta hatte ihren Sieg von langer Hand her geplant. Auch bei einer Wahlniederlage wird sie höchstwahrscheinlich die Regierung stellen, weil sie die Zahl der Senatoren vorsorglich auf 250 fast verdoppelt und als stimmberechtigt für die Wahl des Regierungschefs erklärt hatte. Prayuth braucht bloß noch 126 der insgesamt 500 Abgeordneten, um als «demokratisch gewählter» Regierungschef bestätigt zu werden. Nach inoffiziellen Ergebnissen erhält Puea Thai 150 und Palang Pracharat 139 Sitze – genug, um mit dem Block der Senatoren die Regierung zu bestimmen.

Deutlich zeichnete sich am Wahlsonntag auch ein Generationswechsel ab, mit vorab jüngeren Wählern, die für den politischen Neuling und Senkrechtstarter Thanathorn Juangroongruangkit, 40, stimmten, den Spross eines Milliardärsclans, der mit seiner Future Forward Partei die politische Erneuerung Thailands verspricht und mit zunächst 18% der Stimmen in das neue Parlament einziehen wird. Viertstärkste Kraft wird mit Bhumjaithai («Thailands Stolz») eine Partei, die sich vorab für die volle Legalisierung von Marihuana als neuem Wirtschaftsmotor stark macht. Auf dem abgeschlagenen fünften Rang liegen die Demokraten, die älteste Partei Thailands, die in ihren traditionellen Hochburgen Bangkok und im Süden vernichtend versagte und Wähler an Jungpolitiker Thanathorn und Premier Prayuth verlor.

Zudem droht in den nächsten Wochen gleich mehreren Oppositionsparteien ein Verbot, was angesichts von Thailands keinesfalls unabhängiger Justiz in die Strategie des Regimes eingehen könnte. Das Wahlergebnis dürfte Prayuth und Koalitionspartnern reichen, um klare Machtverhältnisse zu schaffen. Indem sich Regierung und Parlament nicht gegenseitig blockieren, droht Thailand nicht die befürchtete Minderheitsregierung mit politischem Stillstand und Verfassungskrisen.