Nach der jüngsten Anti-Migrationskampagne in Ungarn rückt die Spitze der Europäischen Volkspartei von der rechtsnationalen Regierungspartei Fidesz und Ministerpräsident Viktor Orban ab. "Fidesz entfernt sich derzeit von der EVP. Die EVP erwartet hier eine Änderung", sagte ein Sprecher am Freitag im Namen des Präsidenten Joseph Daul und des Fraktionschefs im Europaparlament Manfred Weber.

Beide hätten deutlich gemacht, dass die Plakatkampagne nicht akzeptabel sei. "Dasselbe gilt für einige Aussagen des Fidesz-Präsidenten (Viktor Orban) in den vergangenen Wochen." Die EVP-Gremien würden bei nächster Gelegenheit darüber diskutieren. Einen Rauswurf aus der EVP, der auch CDU und CSU angehören, forderten Weber und Daul nicht.

Die ungarische Regierung hatte Anfang der Woche ein Plakat vorgestellt, auf dem EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und der liberale US-Milliardär George Soros, der ungarischer Herkunft ist, zu sehen sind. Darunter stehen Behauptungen, die suggerieren, beide wollten illegale Migration nach Ungarn fördern. Der CSU-Politiker Manfred Weber will Juncker im Herbst als Kommissionschef folgen.

Angesichts der umstrittenen ungarischen Plakatkampagne gegen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker geht nun auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf Distanz zu Ungarns Regierungschef Viktor Orban. "Ich halte die Formulierungen der Plakatkampagne in Ungarn gegen Jean-Claude Juncker, die in weiten Teilen der EVP auf Unverständnis stößt, für inakzeptabel", so Kurz am Freitag.

Auf die Forderung, die ungarische Regierungspartei Fidesz aus der Europäischen Volkspartei (EVP) auszuschließen, verzichtete der ÖVP-Chef in seiner der APA übermittelten Stellungnahme.

Die neue Kampagne der ungarischen Regierung hat für massive Kritik auch bei den europäischen Konservativen - vor allem in Deutschland - gesorgt. Der deutsche EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber ging auf Distanz zu Orban. Der Vorsitzende der Christlich Sozialen Volkspartei (CSV) aus Luxemburg, Frank Engel, forderte den Ausschluss der Fidesz-Partei aus der EVP.

Auf dem am Montag präsentierten Plakat ist Juncker und der liberale ungarischstämmige US-Milliardär George Soros zu sehen. Darunter stehen durch Fakten nicht belegte Behauptungen, die suggerieren, die beiden wollten illegale Migration nach Ungarn fördern. Die EU-Kommission hatte sich empört über die Kampagne gezeigt. Juncker forderte, Orbans Fidesz-Partei aus der EVP auszuschließen.

Schweden fordern Ausschluss

Zwei schwedische konservative Parteien haben einen Antrag auf Ausschluss der nationalkonservativen ungarischen Fidesz aus der Europäischen Volkspartei (EVP) gestellt. Wie schwedische Medien am Freitag berichteten, forderte der Chef der "Moderaten", Ulf Kristersson, dass die Regierungspartei Fidesz und ihr Chef Viktor Orban aus der EVP ausgeschlossen werden.

Auch die schwedischen Christdemokraten - neben den "Moderaten" die zweite schwedische Partei in der EVP - forderten entsprechende Konsequenzen nach der umstrittenen Anti-Juncker-Kampagne der ungarischen Regierung. "Wir sind der Ansicht, dass Fidesz nicht mehr zur EVP gehört und meinen, dass man sie ausschließen muss", wird Parteichef Peter Kullgren auf der Website der Christdemokraten zitiert. Als weiteren Grund für ihre Forderung nannten beide Parteien das laufende Artikel-7-Rechtsstaatsverfahren der EU gegen Ungarn.

Versammlung müsste entscheiden

Im EU-Parlament stellt Fidesz derzeit elf der 217 EVP-Abgeordneten, hinzu kommt ein Vertreter der ungarischen Christlich-Demokratischen Volkspartei, die mit Fidesz verbündet ist. Die Europäische Volkspartei ist derzeit die größte Gruppierung in der EU-Volksvertretung.

Vom Verfahren her müsste die politische Versammlung der EVP über einen Ausschluss entscheiden. In ihr sind alle Mitgliedsparteien der EVP vertreten. Das Gremium soll am 20. März das nächste Mal in Brüssel tagen, hieß es in EVP-Kreisen. Damit über einen Antrag auf Parteiausschluss in dem Gremium abgestimmt wird, braucht es mindestens sieben Parteien in mindestens aus fünf Ländern.

Orban verteidigt Vorgehen

Trotz der heftigen Kritik hat der ungarische Regierungschef Viktor Orban die Kampagne seiner rechtskonservativen Regierung gegen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und den US-Milliardär George Soros verteidigte. Diese Plakatkampagne "entlarvt die Migrationspläne der Brüsseler Bürokraten", erklärte Orban am Freitag im Staatsrundfunk Kossuth-Radio.

Daher seien die "Entlarvten unzufrieden mit der ungarischen Regierung", so der ungarische Premier. Die Ungarn würden durch die "Informationskampagne" verstehen, was Migration bedeutet und welche Migrationsmittel Brüssel einsetzen wolle.

Wirbel um Plakat

Die ungarische Regierung hatte am Montag ein Plakat vorgestellt, auf dem Juncker und Soros in unvorteilhafter Pose zu sehen sind. Soros gilt für die Orban-Regierung als Feind Nr. 1. Auf dem Plakat steht: "Auch Sie haben ein Recht zu wissen, was Brüssel vorhat." Darunter werden Juncker und Soros bezichtigt, die illegale Migration fördern zu wollen.

Die Kampagne hatte für massive Kritik gesorgt, auch in der Europäischen Volkspartei (EVP), zu der Orbans Regierungspartei Fidesz gehört. EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) forderte Orban am Donnerstagabend zu einem Kurswechsel auf. Als EVP-Spitzenkandidat bei der Europawahl im kommenden Mai möchte Weber Junckers Nachfolger werden.

"Wir werden sagen, was wir für real halten"

Die Abhaltung einer außerordentlichen Fraktionssitzung der EVP wegen der Plakatkampagne kommentierte Orban am Freitag laut der ungarischen Nachrichtenagentur als "ausgezeichnet". "Wir werden sagen, was wir für real halten, und sie werden diskutieren", so der ungarische Regierungschef.