Von Versöhnung redet im Moment niemand. Die Zeichen stehen weiter auf Konfrontation. Venezuelas Regierung lässt Milizen bilden, bewaffne Arbeiter und Studenten, wie Nicolas Maduro am Sonntag sagte. Ein Bürgerkrieg sei nicht auszuschließen. Die Gegenseite um Oppositionsführer Juan Guaidó lehnt jede Verhandlungslösung ab und akzeptiert einzig allein den Rücktritt von Maduro. Sekundiert werden beide Seiten aus dem Ausland. Hier Russland, die Türkei und China. Dort die EU, weite Teile Lateinamerikas und die USA, die offen zum Sturz Maduros aufrufen.

Doch bisher lässt sich der Autokrat dadurch nicht beirren, im Gegenteil, je enger es für ihn zu werden scheint, desto wohler fühlt er sich. Das zeigte sich auch am Samstag, dem großen Protesttag, der Hunderttausende von beiden Lagern auf die Straßen Venezuelas brachte.

La Ola

Auf der Avenida Bolívar in Caracas lief Maduro zur Hochform auf. Er redete eine Stunde vor seinen Anhängern. Er tanzte, sang, ließ die ganz in das Rot der Staatspartei PSUV getauchten Menschen La Ola machen und versprach wirtschaftliche Besserung und vor allem versicherte er, dass das Militär noch hinter ihm stehe. „Die Streitkräfte standen noch nie so geeint hinter dem Präsidenten, der ihr Oberbefehlshaber ist, wie jetzt“, behauptete Maduro im roten Hemd, das über dem mächtigen Bauch spannt.

Wenige Stunden zuvor allerdings hatte sich der bisher hochrangigste Offizier von Maduro losgesagt.

In den Onlinediensten kursierte ein Video, auf dem ein Divisionsgeneral der Luftwaffe zum Sturz Maduros aufruft. General Francisco Estéban Yáñez Rodríguez vom Luftwaffenoberkommando sagt in der knapp zweiminütigen Botschaft, er erkenne die „diktatorische Macht von Nicolás Maduro“ nicht mehr an und stelle sich hinter den Oppositionsführer Guaidó. 90 Prozent der Streitkräfte stünden nicht mehr hinter „dem Diktator“, sondern „an der Seite des venezolanischen Volkes“. Der Übergang zur Demokratie sei nicht mehr aufzuhalten.


In Las Mercedes setzte Oppositionsführer Juan Guaidó genau darauf, dass das Militär die Seiten wechselt. Er stand fast zeitgleich mit Maduro auf einer Bühne, trug ein weißes offenes Hemd und ein blaues Sakko und appellierte wie bei jeder seiner Reden an das Militär, sich „auf die Seite der Verfassung und des Volkes“ zu stellen. Guaidó versprach: „Der Präsidentenpalast Miraflores ist immer einsamer, aber bald sind wir da und werden ein Übergangsregierung bilden und freie Wahlen ansetzen“. Die Menschen quittierten jedes seiner Versprechen mit Jubel. Guaidós Anhänger tragen kein Rot wie die Chavisten, sondern sind in die blau-gelb-rote Nationalflagge gehüllt. Sie halten Pappschilder in die Höhe, auf denen steht: „Keine Diktatur mehr“.

Die Menschen scharen sich mittlerweile hinter einem Politiker, den vor vier Wochen noch kaum jemand kannte. Guaidó, ein Abgeordneter aus der zweiten Reihe der von Maduro kalt gestellten Nationalversammlung, erklärte sich am 23. Jänner auf einer Massendemo plötzlich in seiner Funktion als Vorsitzender der Nationalversammlung zum Staatschef.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz hat am Sonntag Juan Guaido via Telefon seine „volle Unterstützung“ zugesichert in dem Bemühen, „rasche, freie und faire Präsidentschaftswahlen“ zu organisieren.

Am Sonntag ist auch das Ultimatum abgelaufen, wonach Deutschland, Frankreich, Spanien, Portugal, Großbritannien, die Niederlande und Belgien Guaido als legitimen Übergangsstaatschef anerkennen, sofern Maduro keine freie Präsidentenwahl ausruft. Die USA sowie mehrere Länder Lateinamerikas und weltweit haben Guaido bereits anerkannt.

Die Venezolaner, die unter einer dramatischen Versorgungskrise leiden, folgen Guaido, der nicht nur redet, sondern auch handelt, und der will, dass Maduro geht. Er hat einen klaren Plan von der Machteroberung.

Dabei stört es die Gegner der Regierung nicht im geringsten, dass Guaidó den Plan offenbar gemeinsam mit den USA oder mit deren Unterstützung ausgeheckt hat, dass alles von langer Hand vorbereitet und mit den Falken der Regierung von Donald Trump koordiniert war. Und es stört die Menschen auch nicht, dass die USA immer wieder mit einer militärischen Intervention kokettieren.

„Um Maduro los zu werden brauchen wir die Unterstützung aller Länder, selbst die der USA“, ist eine Demonstrantin in Caracas sicher. „Wenn es jetzt nicht klappt, dann schaffen wir es nie mehr“, betont sie. „Danach sehen wir dann, wie wir die Gringos los werden. Das ist die leichtere Aufgabe“.