Es sei dem Ratsvorsitz gemeinsam mit dem EU-Chefverhandler Michel Barnier gelungen, beim Brexit die Einheit der EU-27 zu wahren. Die EU habe sich nichts vorzuwerfen, betonte Kanzler Sebastian Kurz gestern vor seinem Auftritt vor dem EU-Parlament in Straßburg . Selbst wenn die Abstimmung über den Austrittsvertrag heute in London negativ ausgehe, werde die EU weiter entschlossen auftreten.

Im Bereich Migration sei der Vorsitz zu Beginn mit einer schwierigen Blockade zwischen Gegnern und Befürwortern der Verteilung konfrontiert gewesen. Der EU-Vorsitz habe daher einen neuen Ansatz einer verpflichtenden Solidarität anstelle von verpflichtender Verteilung verfolgt.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker bezeichnete die Bilanz des österreichischen EU-Vorsitzes als "in jeder Beziehung beeindruckend". 134 Dossiers seien erfolgreich abgearbeitet worden. Er wünsche sich mehr solche Vorsitze mit derartiger Stringenz. Es gebe nur eine Ausnahme, betonte Juncker. Er hätte sich gewünscht, dass Österreich dem UNO-Migrationspakt zugestimmt hätte, "statt negative Signale auszusenden". Er könne diese Entscheidung nicht nachvollziehen, aber Österreich sei dabei auch nicht das einzige Land.

Doppelzüngigkeit zu Außengrenze

Positiv hob Juncker auch die Geschlossenheit der EU zum Brexit während der Ratspräsidentschaft hervor, "dem gebührt Lob". Juncker kritisierte hingegen "die Doppelzüngigkeit des Rates" zum Außengrenzschutz und der Frontex-Aufstockung. "Entweder man hält sich an das", so Juncker, "oder man soll den Mund halten".

Während Sozialdemokraten, Grüne und Linke vor allem die Ablehnung des UNO-Migrationspaktes beanstandeten, gab es weitgehend Zustimmung von der Europäischen Volkspartei, den Liberalen und den rechten Fraktionen.

EVP-Fraktionschef Manfred Weber bezeichnete die Bilanz als "beeindruckend". Weber nannte vor allem Beschlüsse zu Sicherheit und Verteidigung, das EU-Japan-Abkommen, das Einwegplastikverbot und die CO2-Reduktion. Der EU-Vorsitz habe aber auch Anstoß gegeben zur Priorität des Außengrenzschutzes und zur Digitalsteuer, "das hat Europa gut getan". Positiv hob Weber auch die Antisemitismustagung hervor. Österreich sei ein starkes Land mit starker Regierung, die konstruktiver Arbeit leiste und den Willen zum Konsens habe.

Ein Europa der Angst

Für die Sozialdemokraten kritisierte deren stellvertretende Vorsitzende, die portugiesische Abgeordnete Maria Joao Rodriguez, der österreichische EU-Vorsitz habe den Versuch unternommen"ein Europa der Angst, des Rückzugs und des Egoismus" einzuführen. Das Verhalten der Bundesregierung beim UNO-Migrationspakt "war schlimm" und sei für ihre Fraktion nicht verständlich. Österreich hätte auch "schneller liefern" müssen bei der Umsetzung sozialer Rechte, forderte Rodriguez. Eine Einigung zum EU-Finanzrahmen im nächsten Herbst sei zu spät, einzelne Regionen würden darunter leiden. Bei der Digitalsteuer habe der Vorsitz "Chancen verpasst", ein stärkeres Europa zu schaffen.

Die Liberalen lobten die "effiziente Präsidentschaft", wie der tschechische Abgeordnete Pavel Telicka sagte. "Die Bilanz ist ziemlich gut". Die Grüne Ko-Vorsitzende Ska Keller "kann nicht ganz einstimmen in die Lobeshymnen". Was vom Vorsitz hängen bleibe sei "die blamable Hofierung von Russlands Präsident Wladmir Putin" und die Kapriolen um den UNO-Migrationspakt. Bei letzterem habe Österreich polemisiert und polarisiert, und sich selbst "ins rechtsnationale Eck gestellt" zu Donald Trump und Viktor Orban, "das war schon peinlich", so Keller . Außerdem habe Österreich gezeigt, dass es auf EU-Gesetze "pfeift", kritisierte die deutsche Grüne den Beschluss zur Kürzung der Familienbeihilfe.

"Schande für die EU"

Für die Europäischen Linken kritisierte der griechische Abgeordnete Dimitrios Papadimoulis, die Weigerung Österreichs während der EU-Ratspräsidentschaft, den UNO-Migrationspakt zu unterzeichnen, sei eine "Schande für die EU" gewesen. Österreich habe auch nichts für den Pfeiler sozialer Rechte getan, auch zur europäischen Einlagensicherung und Besteuerung der Internetgiganten sei nichts Konkretes passiert.

Der AfD-Abgeordnete Jörg Meuthen von der Fraktion "Europa der Freiheit und der direkten Demokratie" sieht in dem österreichischen EU-Ratsvorsitz einen Wendepunkt. Erstmals habe sich ein Vorsitzland nicht verpflichtet gefühlt, die Zentralisierung Europas voranzutreiben. Nichts zeige dies besser als die Haltung zum UNO-Migrationspakt, aus dem Österreich "mutig ausgeschert" sei. Das "kleine Quäntchen Querulanz" verleihe dem Vorsitz Profil, mache diese Regierung aber nicht zu Antieuropäern.