Die aufgeschobene Abstimmung des britischen Parlaments über das mit Brüssel ausgehandelte Brexit-Abkommen wird wohl nicht mehr in diesem Jahr stattfinden. Das geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Vorschau der Sitzungsordnung des britischen Unterhauses für die kommende Woche hervor. Eine Fortsetzung der Debatte über den Brexit-Deal ist darin nicht vorgesehen.

Premierministerin Theresa May hatte die für Dienstag vorgesehene Abstimmung verschoben, weil sie auf eine Niederlage zusteuerte. Sie musste sich daraufhin einem Misstrauensvotum in ihrer eigenen konservativen Fraktion stellen, das sie mit 200 zu 117 Stimmen überstand. Sie versucht nun, den Widerstand im Parlament durch Zugeständnisse aus Brüssel aufzuweichen.

EU will Deal retten

Retten, was zu retten ist: So lautet das Motto für die schwierigen Brexit-Gespräche mit der britischen Premierministerin May beim EU-Gipfel in Brüssel. May ist trotz überstandenem Misstrauensvotum angeschlagen und braucht Zugeständnisse der EU. Ein weiterer Brexit-Sondergipfel im Jänner noch vor der Abstimmung in London sei wahrscheinlich, hieß es in Ratskreisen.

Retten will die EU vor allem den mühsam verhandelten und im November beschlossenen Austrittsvertrag mit Großbritannien, der im Parlament in Westminister bisher keine Mehrheit findet. Die EU möchte den Austrittsvertrag retten, denn ohne diese Regelung droht ein harter Brexit mit unvorhersehbaren Folgen für Wirtschaft und Bürger auf beiden Seiten des Kanals.

Ende für Veto bei Backstop

May will die EU-Vetomöglichkeit beim sogenannten Backstop kippen, also bei der Auffanglösung zur Vermeidung einer harten Zollgrenze zwischen dem zum Königreich gehörenden Nordirland und dem EU-Mitglied Irland. Der "Backstop" bindet die Briten an eine Zollunion mit der EU bis zu einem neuen Abkommen. Ein Ausstieg wäre nur mit Zustimmung der EU möglich. May sucht nach Wegen, wie London diese Notklausel auch einseitig verlassen kann. So lange Großbritannien in der Zollunion mit der EU steckt, kann es nämlich keine Handelsverträge zum Warenverkehr mit anderen Weltregionen abschließen, nur über Dienstleistungen und Investitionen.

Den Brexit-Austrittsvertrag, in dem dieser Auffangmechanismus verankert ist, will die EU nicht aufmachen. Im Gespräch ist aber eine zusätzliche interpretative Erklärung, die für London klarstellen soll, dass der als temporäre Auffanglösung konzipierte Backstop bis Ende 2021 durch das neue Abkommen ersetzt werden soll. Großbritannien wolle dieses Datum in den Austrittsvertrag hineinschreiben, doch damit würde man auch wieder die Büchse der Pandora, die für Spanien so wichtige Gibraltar-Frage, aufmachen, sagte ein Diplomat.

"Wir wollen May helfen"

"Wir wollen May helfen", dies werde auch die Quintessenz des Gipfels in Brüssel sein, hieß es. Vieles hänge nun davon ab, welche konkreten Ideen May am Abend der Gipfelrunde vorlegt.

Doch in Brüssel macht sich langsam Ernüchterung breit: In dem britischen Brexit-Chaos gehe es gar nicht um eine Lösung für einen geordneten Austritt, heißt es hinter vorgehaltener Hand, sondern um ein innenpolitisches Problem auf der Insel, die ungeliebte Premierministerin loszuwerden.