Zum ausgehandelten Brexit-Vertragsentwurf schreiben die Zeitungen am Donnerstag:

TIMES (London):

"In fünf Stunden andauernden leidenschaftlichen Debatten hat Theresa May ihr Kabinett überzeugt, ihren Brexit-Deal zu akzeptieren. Sie behauptet, dies sei das bestmögliche Verhandlungsergebnis und sie glaube mit 'Verstand und Herz', dass es den nationalen Interessen entspreche. Doch es steht außer Zweifel, dass der Deal weit hinter dem sonnenbeschienenen Hochland zurückbleibt, das den Wählern beim EU-Referendum versprochen worden war, und auch hinter dem, was sie selbst einst zugesagt hatte.

Vor weniger als einem Jahr bestand May immer noch darauf, dass sie nicht nur ein Scheidungsabkommen, sondern zugleich eine Vereinbarung über eine künftige Partnerschaft mit der EU erreichen würde, die Großbritannien die Kontrolle über sein Geld, seine Grenzen und seine Gesetze zurückgibt. Natürlich bringt ihr Deal nichts davon, jedenfalls nicht auf kurze Sicht."

NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (London):

"Das britische Parlament muss voraussichtlich im Dezember dem Abkommen zustimmen. Genau dies erscheint aber höchst unsicher. Einmal mehr zeigt sich, dass das größte Problem für Theresa May nicht in Brüssel, sondern in London liegt. Für einen Abstimmungserfolg im Unterhaus wird die Premierministerin auf die Unterstützung aus anderen Parteien angewiesen sein, weil eine größere Zahl von Euroskeptikern unter den konservativen Abgeordneten ihr die Gefolgschaft verweigern wird. (...)

Ob all der Aufregung darf aber nicht vergessen werden, dass die eigentlichen Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zwischen London und Brüssel erst beginnen können, wenn der nun vorliegende Scheidungsvertrag unter Dach und Fach ist. Vorläufig bleibt deshalb weiter ungewiss, wie das Verhältnis zwischen Großbritannien und der EU nach dem Brexit aussehen wird."

DE TIJD (Brüssel):

"Noch sind wir nicht am Ziel. Aber die Ereignisse dieser Woche in London sind seit Juni 2016 die beste Nachricht für einen geordneten und möglichst reibungslosen Brexit. Wie komplex es tatsächlich ist, die Europäische Union zu verlassen, wurde plötzlich am Mittwoch deutlich. Da sind wir von dem endlosen, nichtssagenden Mantra eines 'brexit means brexit' zu einem Text von 585 Seiten übergegangen, der von der Europäischen Kommission und der britischen Regierung unterstützt wird. (...)

Noch immer können tückische Details auftauchen. EU-Länder wie Irland, die durch den Brexit sehr verwundbar sind, entdecken vielleicht noch Stolpersteine. Vieles hängt auch von der zu erwartenden Revolte im Lager der Befürworter eines harten Brexit unter den Tories ab. Und viele Vereinbarungen, darunter die für Nordirland, müssen erst noch ausgehandelt werden."

BERLINGSKE (Kopenhagen):

"Als Premierministerin Theresa May die Vereinbarung ihrem Kabinett vorstellte, standen sowohl die Regierung als auch die Zukunft des Landes auf dem Spiel: Theresa May läuft Gefahr, noch mehr Minister gehen zu sehen, und selbst wenn ihre Regierung diesen Kampf überlebt, wartet eine äußerst unsichere Abstimmung im britischen Parlament im Dezember.

Hier kann das Brexit-Abkommen von einem widrigen Bündnis abgelehnt werden, bestehend aus konservativen Anhängern eines 'harten' Brexits, EU-Anhängern in der Mitte der britischen Politik und in der Labour Party sowie aus der kleinen nordirischen Unionistenpartei DUP, die der May-Regierung nach den Wahlen 2017 mit zehn Stimmen eine knappe parlamentarische Mehrheit sicherte."

CORRIERE DELLA SERA (Mailand):

"Theresa May hat gestern den schwersten Tag ihrer Karriere als Premierministerin überlebt. Fünf Stunden blieb sie zusammen mit den Ministern ihrer Regierung eingeschlossen in der Downing Street, um sie davon zu überzeugen, der von den britischen und europäischen Unterhändlern in Brüssel erzielten Brexit-Vereinbarung zuzustimmen. (...) Das bedeutet nicht, dass alle Probleme gelöst sind. (...) Die unmittelbarste Bedrohung für May kommt aus den Reihen der Konservativen Partei: Viele sind unzufrieden mit der Vereinbarung, die wie ein 'vorgetäuschter Brexit' daherkommt."

DE VOLKSKRANT (Amsterdam):

"Wochenlang haben die Brexit-Verhandlungsführer der EU und Großbritanniens ihr Lager im 'Tunnel' aufgeschlagen. So werden die vielleicht schwierigsten und komplexesten Gespräche, die je in Brüssel stattgefunden haben, im Fachjargon bezeichnet. Und gerade als die Verzweiflung über die Hoffnung zu siegen begann, gab es Licht am Ende des 'Tunnels': eine Grundsatzvereinbarung darüber, wie das Vereinigte Königreich nach 46 Jahren EU-Mitgliedschaft am 29. März nächsten Jahres geordnet aus der Union austreten kann.

Bis es soweit ist, müssen noch drei Hürden genommen werden: Die britische Regierung, die EU (Mitgliedstaaten und Europäisches Parlament) und das britische Parlament müssen das Verhandlungsabkommen billigen. Kein Wunder also, dass die Europäische Kommission am Dienstag auch Notfallpläne vorgelegt hat, falls es zu keiner Einigung kommt."

QUEST FRANCE (Rennes):

"Mit außergewöhnlicher Widerstandsfähigkeit hat Theresa May dem Zynismus in ihrer eigenen Partei getrotzt. Obwohl bereits lange mit ihrem Sturz gerechnet wird, hat die britische Premierministerin gestern die Unterstützung ihres Kabinetts (für den Brexit-Entwurf) verkündet. (...)

Damit deutet sich ein geordneter Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU an - sollte das Parlament seine Zustimmung geben. Das ist jedoch alles andere als ausgemacht. Denn das Sicherheitsnetz, das gespannt wurde, um ein Wiederaufflammen der Irland-Krise zu verhindern, verletzt die meisten roten Linien der Anhänger eines harten Brexit."