Noch vor der Sitzung des britischen Kabinetts um 15 Uhr MEZ in London zum Brexit-Vertragsentwurf wehte der britischen Regierungschefin Theresa May rauer Wind aus den eigenen Reihen entgegen. Die Kritiker des Brexit-Entwurfs argumentieren, dieser enthalte für Großbritannien inakzeptable Kompromisse. Die zurückgetretenen Ex-Minister Boris Johnson und David Davis riefen Kabinettsmitglieder und Parlamentarier zu einem Nein auf.

Doch die Ministerin dürfte ihr Kabinett dennoch vom Entwurf überzeugt haben. May trat nach fünfeinhalb Stunden vor die wartende Presse und verkündete, dass sie das Kabinett nun auf ihrer Seite hat. Dieses hätte den Entwurf für das Brexit-Abkommen gebilligt.

Die EU-Kommission hat das 585 Seiten umfassende Dokument mittlerweile veröffentlicht. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sieht die Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien fast am Ziel. Er sehe genügend Fortschritt, um die Verhandlungen nun zu beenden, schrieb Juncker am Mittwoch im Kurznachrichtendienst Twitter. EU-Chefverhandler Michel Barnier sprach von einem "entscheidenden Fortschritt".

Barnier: Keine "harte Grenze" zwischen Nordirland und Irland

In den Brexit-Verhandlungen ist für EU-Verhandlungsführer Barnier das Ziel erreicht worden, eine "harte Grenze" mit wiedereingeführten Kontrollen zwischen der britischen Provinz Nordirland und Irland zu verhindern. Ziel sei es, die Frage während der geplanten Übergangsphase bis Ende 2020 nach dem Brexit abschließend zu klären, sagte Barnier am Mittwochabend in Brüssel.

Reiche die Zeit nicht, könne die Übergangsphase "für einen begrenzte Zeitraum" verlängert werden, oder es greife eine Auffanglösung, in der das gesamte Vereinigte Königreich in einer Zollunion mit der EU bleibe. Die Nordirland-Frage hatte über Monate einen Abschluss der Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien verhindert.

Barnier sagte, aus seiner Sicht sei "entscheidender Fortschritt" erzielt worden. Dieser ist Voraussetzung für die Einberufung eines Sondergipfels der EU-Staats- und Regierungschefs zum Brexit, auf dem die Vereinbarung gebilligt werden könnte.

Kurz hofft auf Ja von britischen Parlament

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat sich über die Einigung der britischen Regierung zum Brexit-Vertragsentwurf "sehr froh" gezeigt. "Ich hoffe nun auch auf Zustimmung des britischen Parlaments", schrieb Kurz am Mittwochabend auf Twitter. Das Ergebnis sei ein "gutes, denn es garantiert, dass ein Hard-Brexit vermieden" und " es keine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland geben wird".

Blümel: "Große Etappe genommen"

Europaminister Gernot Blümel (ÖVP) hat sich "sehr froh" über die Zustimmung der britischen Regierung zum Brexit-Vertragsentwurf gezeigt. "Damit wurde eine große Etappe genommen", sagte Blümel laut einer Aussendung am Mittwochabend. Es werde nun "zeitnah" einen Rat geben. "Wir sind in enger Abstimmung mit Chefverhandler Michel Barnier, um die weiteren Schritte professionell vorzubereiten."