Drei Wochen nach der bayerischen Landtagswahl steht die Koalition aus CSU und Freien Wählern. Die Spitzengremien beider Parteien beschlossen in München den unter dem Titel "Für ein bürgernahes Bayern" stehenden Koalitionsvertrag. Unterdessen sagte CSU-Chef Horst Seehofer zu seinen Zukunftsplänen, er wolle sich nach dem 12. November zu möglichen personellen Konsequenzen äußern.

Die bisher allein regierende CSU hatte bei der Landtagswahl am 14. Oktober mehr als zehn Prozentpunkte verloren und brauchte deshalb einen Koalitionspartner. Nach Sondierungen mit den als zweitstärkste Kraft aus der Wahl hervorgegangenen Grünen entschied sich die CSU rasch für die bürgerlichen Freien Wähler als Wunschpartner.

Nach Worten des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder  beinhaltet der Koalitionsvertrag auch Konsequenzen aus der Stärke der Grünen. So hätten sich CSU und Freie Wähler auf ein eigenes bayerisches Klimaschutzgesetz verständigt. Es werde eine klimaneutrale Verwaltung geschaffen und außerdem der Flächenverbrauch auf maximal fünf Hektar pro Tag beschränkt - die Grünen hatten mit Kritik an einem "Flächenfraß" in Bayern im Wahlkampf gepunktet. Söder sagte zu den Vereinbarungen: "Bayern kann grüner werden ohne die Grünen."

Freie Wähler mit Ergebnissen zufrieden

Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger erklärte, er sei mit den Ergebnissen zufrieden. "Unsere Kernpositionen konnten wir überwiegend durchsetzen, wir müssen an keiner Stelle gegen unsere Grundüberzeugung die Hand heben." Zu den vereinbarten Beschlüssen zählt auch ein Aussetzen des geplanten Baus einer dritten Startbahn am Münchner Flughafen für fünf Jahre, eine Erhöhung der Polizeistellen von 42.000 auf 45.000 und das Schaffen von 5.000 zusätzlichen Lehrerstellen.

Im künftigen Kabinett bekommen die Freien Wähler drei Ministerien. Voraussichtlich wird Aiwanger dabei das Ministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie führen. Außerdem erhalten die Freien Wähler das Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz sowie für Bildung und Kultus. Gerade der Verzicht auf das Kultusministerium gilt als für die CSU schmerzhaft, da sie in der föderalen Bildungslandschaft über die Schulpolitik traditionell eigene Akzente setzte.

Alle übrigen Ministerien werden von der CSU geführt, darunter auch ein neu geschaffenes Digitalisierungsministerium. Zur Besetzung der Ministerien wollte sich Söder nicht äußern, am 12. November werde das neue Kabinett vereidigt.

Montag wird unterschrieben, Dienstag gewählt

Am Montag ist neben der formellen Unterzeichnung des Koalitionsvertrags auch die konstituierende Landtagssitzung geplant. Parteichef Seehofer nimmt daran nach eigenen Angaben nicht teil, sondern lässt Söder den Vortritt. Die Wiederwahl Söders als Ministerpräsident wird am Dienstag erwartet. Am Mittwoch und Donnerstag will sich die CSU-Spitze auf einem Kongress der Europäischen Volkspartei (EVP) in Helsinki dafür starkmachen, dass CSU-Vizechef Manfred Weber zum Spitzenkandidaten für die Europawahl gekürt wird.

Seehofer lehnte eine Stellungnahme zur seiner eigenen Zukunft am Sonntag erneut ab. "Ich möchte wichtige Dinge wie die Vorstellung und Vereidigung des Kabinetts nicht mit anderen Dingen belasten", sagte er. Wie er am Rande der Beratungen weiter sagte, will er sich nach der Vereidigung der bayerischen Koalition zu seiner Zukunft als CSU-Chef äußern. Zuletzt verdichteten sich Hinweise, dass Seehofer den Parteivorsitz abgeben will. Er ist bis Herbst 2019 gewählt. Söder gilt derzeit als Favorit für seine Nachfolge. Nach Seehofers Angaben waren zwischen ihm und Söder Personalien zuletzt kein Thema.

Schwerpunkt Familienpolitik

Schwerpunkt des Koalitionsvertrags, der am Montag unterzeichnet werden soll, sind erhöhte Ausgaben für Familien. So soll es ab dem nächsten Jahr Anspruch auf einen kostenfreien Kindergartenplatz geben und ab dem Jahr 2020 einen Betreuungszuschuss in Höhe von 100 Euro pro Monat für Ein- und Zweijährige, die zusätzlich zum erst in diesem Jahr eingeführten Familiengeld von 250 Euro monatlich gezahlt werden. Söder sagte, die Mehrkosten der Vereinbarungen beliefen sich für den nächsten Doppelhaushalt auf 1,2 Milliarden Euro. Das sei für Bayern finanzierbar.

In der Flüchtlings- und Sicherheitspolitik streben CSU und Freie Wähler erwartungsgemäß keine wesentliche Veränderung der bisherigen CSU-Linie an. So bekennen sich beide Seiten zu beschleunigten Asylverfahren und Abschiebungen in sogenannten Anker-Zentren, zum Ausbau der bayerischen Grenzpolizei und zur Beibehaltung der Grenzkontrollen. "Solange der EU-Außengrenzschutz nicht gewährleistet ist, sind wir für eine Beibehaltung der Grenzkontrollen", betonen die Koalitionspartner in dem Vertrag.

Antwort auf Stimmenverluste

Söder sieht die Inhalte des Koalitionsvertrages auch als Antwort auf die herben Stimmenverluste der CSU bei der Landtagswahl. "Wir wollen kein reines Weiter so", sagte er am Sonntag nach einer Sitzung von Parteivorstand und Landtagsfraktion in München.

Die Koalition reagiere damit auf den im Wahlergebnis ablesbaren "Veränderungswunsch und Veränderungsbedarf". Als Beispiel dafür nannte Söder den Bereich Umwelt und Ökologie: "Bayern kann grüner werden auch ohne die Grünen." Die CSU hatte bei der Wahl Mitte Oktober viele Stimmen an die Grünen verloren.

Darüber hinaus zeige der Fokus auf innere Sicherheit, dass an den bewährten Grundlinien der vergangenen Jahre festgehalten werden solle. Söder betonte, dass der Koalitionsvertrag ein "gutes Kursbuch für die nächsten fünf Jahre" sei. Es gebe auch bei der Ressortverteilung mit den Freien Wählern ein "gutes und ausgewogenes Miteinander". Ziel der Zusammenarbeit sei es, Stabilität und Vertrauen in die Demokratie zu schaffen, und "kein Schattenboxen".