Der hessische Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat Volker Bouffier hat den Ausgang der Landtagswahl trotz der dramatischen Verluste für seine Partei als Erfolg gewertet. "Wir wollten klar stärkste Fraktion werden und erreichen, dass gegen die CDU keine Regierung gebildet werden kann", sagte Bouffier am Sonntag in Wiesbaden. Beides sei gelungen. Die CDU hat allerdings im Vergleich zu der Wahl von 2013 über zehn Prozentpunkte verloren.

Die Grünen-Spitzenkandidaten Priska Hinz und Tarek Al-Wazir haben ihr "historisches" Ergebnis bei der Landtagswahl in Hessen gefeiert. Vor jubelnden Anhängern sprach Hinz am Sonntag in Wiesbaden von einem "wunderbaren Ergebnis". Das Wahlergebnis sei ein Auftrag an die Grünen, bei der Energiewende und der Verkehrswende weiterzumachen, sagte Al-Wazir.

Die SPD-Bundesvorsitzende Andrea Nahles sagte, zu den Verlusten in Hessen habe die Bundespolitik "erheblich" beigetragen. Sie setzte ein Ultimatum für die große Koalition in Berlin: "Der Zustand der Regierung ist nicht akzeptabel." Bis zur "Halbzeitbilanz" der Bundesregierung werde sich entscheiden, ob die SPD in der Koalition noch "richtig aufgehoben" sei.

Mehrheit für Schwarz-Grün fraglich

CDU und SPD mussten bei der Landtagswahl in Hessen deutliche Verluste hinnehmen. Die CDU sackt laut einer ersten Nachwahlbefragung der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF von 38,3 Prozent auf 27 Prozent ab - sie bleibt damit aber weiter stärkste Kraft in Wiesbaden. Die SPD kommt demnach nur noch auf 20 Prozent, nach 30,7Prozent im Jahr 2013 und liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Grünen. Wegen der großen Stimmengewinne der Grünen wurde über eine Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition spekuliert. Am späteren Abend kristallisierte sich heraus, dass Schwarz-Grün doch keine Mehrheit zustande bringen. Ein möglicher Koalitionspartner wäre die FDP.

Hochrechnung zur Sitzeverteilung

Die bisherige schwarz-grüne Koalition im deutschen Bundesland Hessen hat nach neuesten Hochrechnungen ihre Mehrheit doch verloren. Nach Berechnungen des Senders ARD kommt die CDU von Ministerpräsident Volker Bouffier auf 35 von 121 Sitzen, die Grünen auf 25. Damit fehlt ihnen ein Sitz zur Mehrheit.

Zweitstärkste Kraft in Hessen bliebe die SPD mit 26 Sitzen, gefolgt von der rechtspopulistischen AfD (17), der FDP (10) und der Linken (8). Ein schwarz-rotes Bündnis aus CDU und SPD hätte laut ARD dagegen eine Mehrheit, ebenso wie "Jamaika" (CDU, FDP, Grüne) oder eine "Ampel" (SPD, FDP, Grüne).

Auch laut ZDF-Berechnungen hat Schwarz-Grün keine Mehrheit. Demnach käme die CDU auf 36 von 124 Sitzen, SPD und Grüne auf je 26, die AfD auf 17, die FDP auf 10 und die Linke auf 9.

Die Gesamtzahl der Sitze im Landtag steht nicht von vorneherein fest. Sie schwankt wegen des komplizierten deutschen Wahlsystems mit Erst- und Zweitstimmen.

Grüne als Gewinner

Die Grünen sind größter Gewinner der Wahlen - die Grünen konnten ihr Ergebnis von 2013 (11,1 Prozent) den Prognosen zufolge auf 20 Prozent steigern - damit könnten sie die SPD als zweitstärkste Kraft ablösen. Die rechtspopulistische AfD zieht erstmals in den Landtag in Hessen ein und erreicht 13 Prozent. Sie sitzt damit nun in allen deutschen Landtagen.

FDP und Linke, die vor fünf Jahren nur jeweils knapp über die Fünf-Prozent-Hürde kamen, gewinnen diesmal an Unterstützung und sitzen sicher im neuen Landtag.

Die Wahlbeteiligung lag laut ARD mit 67,5 Prozent niedriger als 2013 mit 73,2 Prozent.

Härtetest für GroKo

Die Wahl in Hessen gilt als Härtetest für den Fortbestand der Großen Koalition von Union und SPD in Berlin. Die Parteivorsitzenden, Kanzlerin Angela Merkel und Andrea Nahles, stehen auch in den eigenen Reihen unter Druck.

Erste Prognosen zum Wahlausgang wurden unmittelbar mit Schließung der Wahllokale um 18.00 Uhr erwartet, erste Hochrechnungen etwa eine halbe Stunde später. Das vorläufige amtliche Endergebnis dürfte gegen Mitternacht vorliegen.

Ob die seit 2013 regierende schwarz-grüne Koalition unter Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) ihre Arbeit fortsetzen kann, ist ungewiss. Sollte Bouffier, der auch einer von fünf Vizechefs der deutschen Christdemokraten ist, abgewählt werden, würde dies auch CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel schwächen.

Die SPD ist in Hessen zwar größte Oppositionspartei, sitzt aber in Berlin als Merkels Koalitionspartner mit in der Regierung. Der SPD-Herausforderer Thorsten Schäfer-Gümbel gab sich bei seinem Urnengang am Sonntag in Lich noch optimistisch. "Ich habe in den letzten Tagen gemerkt, dass wirklich viel in Bewegung ist", sagte er. Er stand vor allem nach dem Wahlergebnis bei der Landtagswahl in Bayern vor zwei Wochen unter Druck. Dort errangen die Sozialdemokraten nur 9,7 Prozent der Stimmen.