Ein prominent besetzter Vierer-Gipfel kommt am Samstagnachmittag in Istanbul zu Beratungen über die Zukunft des Bürgerkriegslandes Syrien zusammen. In der Stadt am Bosporus treffen sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, seine Amtskollegen aus Frankreich und Russland, Emmanuel Macron und Wladimir Putin, sowie die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel.

UNO-Vermittler Staffan de Mistura wird den Politikern über die aktuelle Situation in Syrien berichten. Die vier Länder wollen insbesondere über die Lage in der letzten verbliebenen Rebellenhochburg Idlib im Nordwesten Syriens sprechen. Dort haben Russland als Verbündeter der syrischen Regierung und die Türkei als Unterstützer der Rebellen eine entmilitarisierte Pufferzone errichtet. Sie wollen damit eine Offensive der Regierung verhindern. Am Freitag wurden nach einem Bericht der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mindestens sieben Zivilisten durch Artilleriebeschuss der syrischen Armee getötet.

Festgefahrener Prozess

Auf dem Gipfel soll es zudem darum gehen, den festgefahrenen politischen Prozess wieder in Gang zu bringen. Alle bisherigen Friedensgespräche unter der Leitung der UNO sind gescheitert. Auch ein im vergangenen Jänner beschlossenes Verfassungskomitee mit Vertretern von Regierung und Opposition ist bisher nicht gebildet worden.

Dieses Verfassungskomitee ist nach Ansicht des scheidenden UNO-Sonderbeauftragten de Mistura eine "ernsthafte Herausforderung". Das sagte der Diplomat dem UNO-Sicherheitsrat in einer Sitzung am Freitag nach Ende seiner Syrien-Reise. De Mistura bemüht sich derzeit darum, die Gründung des Komitees in die Wege zu leiten, ehe er Ende November sein Amt abgibt. Der 71-Jährige hatte vor eineinhalb Wochen überraschend angekündigt, seinen Posten aus "persönlichen Gründen" abzugeben. Über mehr als vier Jahre hatte er erfolglos versucht, den blutigen Konflikt durch Verhandlungen zu lösen.

Der Ausschuss soll Vertreter der syrischen Regierung von Präsident Bashar al-Assad, der Opposition sowie neutraler Gruppen enthalten. Die syrische Regierung hatte die Verfassung am Mittwoch aber als souveräne Angelegenheit bezeichnet und erklärt, Fragen dazu würden von den Syrern allein und ohne ausländische Einmischung entschieden.

Friede erst nach Rücktritt Assads

Der Chefunterhändler des wichtigsten syrischen Oppositionsbündnisses glaubt an Frieden in Syrien nur nach einem Rücktritt von Assad. "Es ist unmöglich, dass ein Mensch, der Syrien zerstört hat und für den Tod vieler Syrer verantwortlich ist, bleibt", sagte Nasr al-Hariri am Freitag in Moskau. Nach Ansicht von Hariri behindert die syrische Regierung die Bildung der Verfassungskommission. Die Opposition sehe in dieser Frage bisher "noch kein Licht am Ende des Tunnels".

Die EU-Kommission wünscht sich eine Beteiligung Jordaniens an den Gesprächen über den Friedensprozess in Syrien. "Ich bin überzeugt, dass der Westen bei den Verhandlungen über die Zukunft Syriens Jordanien einbeziehen und als Vermittler nutzen sollte", sagte EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn der Zeitung "Die Welt" (Samstag-Ausgabe). "Jordanien wäre wahrscheinlich von allen Ländern in der Region der vertrauenswürdigste Makler."

Jordanien "relativ säkularisiert"

Jordanien habe zu allen seinen Nachbarn eine geregelte Beziehung und belastbare Gesprächskanäle, sagte Hahn. "Hinzu kommt, dass Jordanien ein relativ säkularisiertes Land ist, in dem religiöse Konflikte keine allzu große Rolle spielen, was die Akzeptanz in der Region eher noch steigert." Wichtig sei aber generell, dass die Verhandlungen über Frieden in Syrien weiterhin unter dem Dach der Vereinten Nationen geführt werden.

Beim Wiederaufbau Syriens sieht Hahn auch Europa in der Pflicht. Der Finanzbedarf sei "so gigantisch, dass alle mithelfen müssen". Er glaube nicht, dass die bisher veranschlagte Summe von 200 Milliarden Dollar (176,29 Mrd. Euro) "letztlich auch nur annähernd ausreichen wird", sagte der EU-Kommissar. Die EU müsse ihre Unterstützung aber an eine politische Lösung knüpfen, die unter anderem syrischen Flüchtlingen eine sichere Rückkehr in ihre Heimat garantiere.