Der erste Koalitionsstreit in der populistischen Regierung in Rom ist bewältigt. Nach drei Tagen zähen Ringens setzte sich die Fünf-Sterne-Bewegung durch. Das Kabinett um Premier Giuseppe Conte verzichtet auf eine umstrittene Amnestie zugunsten von Steuerflüchtigen, die ihr Kapital ins Ausland gebracht haben.

Damit ist ein peinlicher Streit zwischen den ungleichen Partnern Lega und Fünf-Sterne-Bewegung beigelegt. Am Dienstagabend hatte Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio der Lega in einer Talkshow vorgeworfen, das Steuerpaket manipuliert und ohne Genehmigung der Fünf-Sterne-Bewegung die Steueramnestie eingebaut zu haben. Di Maio sprach von Personen im Regierungsapparat, die im Interesse der Lega, aber in Unwissenheit seiner Partei Straffreiheit für schwere Finanzdelikte wie Geldwäsche in den Gesetzesentwurf aufgenommen hätten. Dies wurde von der Lega heftig bestritten.

Am Schluss einigten sich die Koalitionsparteien am Samstagnachmittag auf einen neuen Text des Steuerpakets, das die Amnestie ausschließt. "Drei surreale Tage gehen zu Ende. Es war ein bisschen ermüdend, aber Ende gut, alles gut", sagte Matteo Salvini am Samstag nach einer Kabinettssitzung. Man sei sich bei der Steuerfrage einig geworden.

Ideologische Differenzen

Der Streit ist zu Ende, er brachte jedoch erstmals die ideologischen Differenzen zwischen den beiden Parteien klar ans Licht, die zwar die Anti-EU-Rhetorik verbindet, wirtschaftspolitisch jedoch sehr unterschiedliche Positionen vertreten. Klar ans Licht kommt jedoch auch gleichzeitig der feste Wille der Parteichefs und Vizepremier Di Maio und Matteo Salvini, um jeden Preis zusammenzubleiben, um das gemeinsame europakritische Koalitionsprogramm durchzusetzen. Dafür sind die beiden Koalitionschefs bereit, ihren Stolz ad acta zu legen. Sie sind fest entschlossen, ihre "Zwangsehe" weiterzuführen, wie politische Beobachter die Regierung aus der grundsätzlich linken Fünf-Sterne-Bewegung und Salvinis rechtsnationaler Lega bezeichnen.

Während in der Migrationspolitik die Anti-Einwanderungsslogans der Lega dominieren, gibt bei der Budgetplanung die sozialorientierte Fünf-Sterne-Bewegung den Ton an, wie der Steuerstreit bewies. Das löst riesige Sorgen in der oppositionellen Forza Italia um Ex-Premier Silvio Berlusconi aus. Mehrmals bezeichnete der Medienunternehmer die Di Maio-Gruppierung als "Partei der Arbeitslosen und Nichtstuer". Sie sei "populistisch und rebellisch" und "gefährlicher als die Kommunisten", warnte Berlusconi, der sich einen baldigen Regierungssturz sehnlichst erhofft.

Konfrontationskurs mit Brüssel

Doch auf einen Kabinettswechsel wird der TV-Zar Berlusconi wohl noch länger warten müssen. Je größer der politische Druck und die wirtschaftlichen Turbulenzen werden, desto mehr zeigt sich die Regierung im Konfrontationskurs mit Brüssel geschlossen. Die EU-Kommission hatte dem Kabinett am Donnerstag per Brief mitgeteilt, dass ihr Budgetentwurf für 2019 ein "besonders gravierender" Verstoß gegen die EU-Regeln sei. Sie räumte Italien eine Frist bis Montag ein, um auf die Bedenken zu antworten. Wegen der geplanten Neuverschuldung senkte Moody's am Freitag die Note der Kreditwürdigkeit Italiens. Die langfristigen Verbindlichkeiten würden statt "Baa2" nur noch mit "Baa3" bewertet, damit liegen Italiens Staatsanleihen kaum eine Stufe über dem Ramschniveau.

"Das Wichtigste ist, das Budget unseren europäischen Gesprächspartnern zu erklären", sagte Regierungschef Giuseppe Conte am Samstag nach einer Kabinettssitzung in Rom. In Europa herrsche ein "Klima des Dialogs", Italien plane keineswegs einen Austritt aus der Europäischen Union oder aus der Eurozone. Conte versicherte, er werde die EU-Kommissare überzeugen, dass Roms Budgetentwurf mit der Einführung eines Bürgergeldes, den Erleichterungen beim Pensionseintritt, Steuersenkungen und öffentlichen Investitionen zu einem kräftigen Wirtschaftswachstums in Italien führen werde. Dies soll wiederum einen schnelleren Schuldenabbau ermöglichen.

Zähes Duell

Der parteilose Conte wird all sein diplomatisches Geschick aufwenden müssen, um EU-Parlamentspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici zu überzeugen, dass ein Jahresdefizit von 2,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) - drei Mal mehr als von der Vorgängerregierung geplant - Italiens Wirtschaft wieder auf einen Höhenflug bringen kann. Zu rechnen ist mit einem zähen Duell.

Italien hat bis Montagmittag Zeit für eine Stellungnahme. Die Regierung Conte muss Brüssel erklären, warum es eine bedeutende Abweichung von den EU-Empfehlungen plant. Die Antwort aus Rom wird die EU-Kommission berücksichtigen, wenn sie bis Ende Oktober über die endgültige Einschätzung des Budgetentwurfs entscheidet. Bleibt es bei der Defizitabweichung, kann die Brüsseler Behörde Italien auffordern, wegen schweren Verstoßes gegen den Stabilitätspakt innerhalb von drei Wochen einen überarbeiteten Entwurf einzureichen. Sollte Italien dies nicht tun, wäre ein zu Sanktionen führendes Verfahren der EU unvermeidbar.