Die CSU hat aktuellen Hochrechnungen zufolge bei der Landtagswahl in Bayern doch mehr als 37 Prozent der Stimmen bekommen: ARD und ZDF sahen die Partei am Sonntagabend bei 37,3 bis 37,4 Prozent. In ersten Hochrechnungen hatten die Christsozialen nur bei 35,3 bis 35,4 Prozent gelegen.

Für die SPD zeichnete sich nur das jemals schlechteste Ergebnis in Bayern ab, sondern bei einer Landtagswahl überhaupt: Den Hochrechnungen zufolge lagen die Sozialdemokraten bei 9,5 bis 9,6 Prozent. Ihr bisher schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl waren 9,8 Prozent im Jahr 2004 in Sachsen.

Die Grünen wurden den Hochrechnungen zufolge mit 17,8 bis 17,9 Prozent zweitstärkste Kraft vor den Freien Wählern mit 11,6 bis 11,7 Prozent. Dahinter lag die AfD mit 10,6 bis 10,7 Prozent. Die FDP konnte mit 5,0 Prozent von einem Einzug in den bayerischen Landtag ausgehen.

Das bedeutet: Die bundespolitischen Koalitionspartner in Deutschland, CSU und SPD, haben bei der Landtagswahl in Bayern somit im nahezu gleichen Umfang Prozentpunkte verloren, wie Grüne und AfD zugelegt haben. Laut Hochrechnungen von ARD und ZDF am Sonntagabend betrug der zusammengerechnete Verlust von CSU und SPD etwa 22 Prozentpunkte gegenüber 2013, der Zugewinn bei Grünen und AfD gut 21 Prozentpunkte.

Söder sieht "klaren Regierungsauftrag"

Die CSU von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hätte damit mehr als zehn Prozentpunkte verloren. Sie hatte bisher mit absoluter Mehrheit regiert und bräuchte jetzt zum Weiterregieren einen oder mehrere Koalitionspartner. Söder sprach in einer ersten Reaktion von einem "schmerzhaften" Ergebnis, will aber trotz des Verlustes der absoluten Mehrheit wieder die Regierung in Bayern bilden. "Es ist der Auftrag an die CSU ergangen, eine stabile Regierung in Bayern zu bilden", sagte er im Landtag.

"Unser klares Ziel ist es, diese Verantwortung zu schultern." Nach ersten Hochrechnungen kommt die bisher allein regierende CSU auf rund 35 Prozent, vor fünf Jahren waren es noch 47,7 Prozent. "Wir nehmen das Ergebnis auch an, auch mit Demut, und wir werden aus dem Ergebnis auch Lehren ziehen müssen", sagte Söder. "Wir müssen jetzt vor allem nach vorne schauen."

SPD wird durchgereicht

Die SPD, die mit den Unionsparteien CDU/CSU in Deutschland auf Bundesbene eine Große Koalition bildet, wurde ebenfalls abgestraft und rutschte demnach mit 9,9 Prozent auf einen historischen Tiefstand ab. Die FDP erreicht laut Hochrechnung 5,1 Prozent - was was knapp für den Einzug in den Landtag reichen würde. Die Linke verfehlte mit 3,5 Prozent erneut den Sprung in den Landtag.

Die CSU kommt den Angaben zufolge auf 74 bis 79 Sitze im neuen Landtag, die Grünen erreichen 40 Mandate, die Freien Wähler kommen auf 24 bis 25 Sitze. Die AfD erreicht demnach 23 bis 24 Mandate, die SPD kommt auf 20 bis 21 Sitze und die FDP auf elf Mandate. Die Wahlbeteiligung lag nach ersten Angaben bei etwa 72,5 Prozent.

Parteien beraten über Konsequenzen

In München beraten am Montag (10.00 Uhr) die Spitzengremien der bayerischen Parteien über den Ausgang der Landtagswahl. Von besonderer Bedeutung sind die Vorstandssitzungen von CSU und Freien Wählern, weil dort die Weichen für Koalitionsverhandlungen der beiden bürgerlichen Parteien gestellt werden könnten. Auch Grüne, SPD, AfD und FDP wollen das Wahlergebnis analysieren.

Ebenso sämtliche deutsche Bundesparteien bei Gremiensitzungen in Berlin. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erklärte nach dem Verlust der absoluten Mehrheit seiner Partei bereits, er strebe ein bürgerliches Bündnis an - dies würde eine ebenfalls mögliche Koalition mit den Grünen ausschließen. Die Freien Wähler mit ihrem Landeschef Hubert Aiwanger zeigten sich bereits offen für solch eine Koalition und erklärten, es werde keine inhaltlichen Differenzen geben.

München: Grüne stärkste Kraft

In der bayerischen Landeshauptstadt lösen die Grünen die CSU voraussichtlich als stärkste Kraft bei einer Landtagswahl ab. Nach Auszählung von 554 von 954 Wahlbüros lagen die Grünen in München mit 31 Prozent deutlich vor der CSU, die auf nur noch 24,5 Prozent kam. Damit konnten die Grünen gegenüber der Landtagswahl 2013 um 18,9 Prozentpunkte zulegen, während die CSU 12,2 Prozentpunkte verlor.

Auch bei den Direktmandaten zeichnete sich ein mehrheitlicher Erfolg der Grünen-Bewerber ab. In fünf von neun Stimmkreisen lagen nach gut der Hälfte der Auszählung Grünen-Politiker vorn, in vier Stimmkreisen die CSU-Kandidaten. Uneinholbar lag der landesweit als Spitzenkandidat aufgestellte Ludwig Hartmann in seinem Stimmkreis München-Mitte vorn. Bei der Landtagswahl 2013 hatte die CSU noch mit einer Ausnahme in ganz Bayern alle Direktmandate geholt.

Koalition zwischen CSU und Freie Wähler möglich

Eine bürgerliche Koalition aus CSU, Freien Wählern und FDP gilt intern bei der CSU gegenüber einem schwarz-grünen Bündnis als das favorisierte Modell. Besonders bei der inneren Sicherheit fürchten die Christsozialen, in einer Koalition mit den Grünen ansonsten einen Verlust einer ihrer Kernkompetenzen. So bekämpften die Grünen das von Ministerpräsident Markus Söder auf den Weg gebrachte neue Polizeiaufgabengesetz massiv und forderten Korrekturen.

Für die Regierungsbildung ist in Bayern wegen der Verfassung wenig Zeit. Spätestens am 22. Tag nach der Wahl muss der neue Landtag das erste Mal zusammenkommen, innerhalb einer Woche muss dann der Ministerpräsident gewählt werden. Das heißt, dass die konstituierende Landtagssitzung spätestens am 5. November stattfinden muss, die Wahl des Ministerpräsidenten spätestens am 12. November.

Falls in dieser Sitzung kein Kandidat eine einfache Mehrheit bekommt, gibt es einmalig nochmals drei Wochen Aufschub für die Wahl des Regierungschefs. Sollte danach noch immer kein Ministerpräsident gewählt sein, sind Neuwahlen vorgeschrieben.

Die CSU, die in der Großen Koalition in Berlin mitregiert, stellt in Bayern seit 1957 den Ministerpräsidenten. Bei der Wahl 2008 verlor sie erstmals seit Jahrzehnten die absolute Mehrheit, gewann sie aber schon fünf Jahre später zurück.

Ministerpräsident Markus Söder hatte das Amt erst im März von Horst Seehofer übernommen, der nach dem schlechten CSU-Ergebnis bei der Bundestagswahl 2017 von der Landtagsfraktion zum Rückzug gedrängt wurde. Seehofer wurde Bundesinnenminister und blieb CSU-Chef.

Im Landtag sind insgesamt 180 Sitze sind zu vergeben, darunter 91 Direkt- und 89 Listenmandate. Durch Überhang- und Ausgleichmandate könnte die Zahl noch steigen. Jeder Wahlberechtigte hat zwei Stimmen. Mit der Erststimme wählt man einen Kandidaten in einem der 91 Stimmkreise direkt, mit der Zweitstimme einen Listen-Kandidaten einer Partei. Anders als bei der Bundestagswahl entscheidet die Summe aus Erst- und Zweitstimmen über die Sitzverteilung im Landtag. Beide Stimmen sind für die Sitzverteilung also genau gleich wichtig.