Bei Beratungen über die Umsetzung der europäischen Grundrechtecharta ist es am Donnerstag im Kreis der EU-Justizminister zum Eklat mit Polen gekommen. Das Land protestierte nach Angaben von Diplomaten gegen einen Hinweis auf die Diskriminierung von Schwulen und Lesben und trug eine geplante Erklärung der Minister nicht mit.

"Das ist ein präzedenzloser Vorgang", hieß es in Teilnehmerkreisen. Die Spannung im Raum sei deutlich spürbar gewesen. Einige Teilnehmer hätten es als Schande bezeichnet, dass sich die EU-Länder nicht auf eine gemeinsame Position beim Thema Grundrechte hätten einigen können. Da Einstimmigkeit erforderlich war, kam der Beschluss nicht zustande. Stattdessen gab es eine gleichlautende Erklärung des Ratsvorsitzes Österreich, der sich andere EU-Staaten anschlossen.

Allgemeine Bekenntnisse zu Rechtsstaatlichkeit

Zur Debatte stand eine offizielle Erklärung - sogenannte Ratsschlussfolgerungen - zur Umsetzung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die jedes Jahr abgegeben wird. Neben allgemeinen Bekenntnissen zur EU als Wertegemeinschaft mit Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit enthält sie eine Art Bilanz zum Stand der Grundrechte in der EU.

Der Streit mit Polen entzündete sich nach Angaben von Teilnehmern an einer Passage mit dem Hinweis, dass sexuelle Minderheiten häufig Opfer von Diskriminierung, Gewalt und Hass seien. Man nehme die Maßnahmen der EU-Kommission zur Förderung der Gleichstellung von LGBTI-Personen mit Interesse zur Kenntnis. Diese Formulierung habe Polen nicht mittragen wollen, hieß es.

Polen steht wegen des Umbaus der Justiz in einem sogenannten Rechtsstaatsverfahren am Pranger. Die nationalkonservative Regierung hatte sich zudem 2017 bei einem EU-Gipfel schon einmal in ähnlicher Weise isoliert: Damals versuchte das Land als einziges, die Bestätigung von Ratspräsident Donald Tusk im Amt zu verhindern.