Nach der Fundamentalkritik ihres parteiinternen Rivalen Boris Johnson hat die britische Premierministerin Theresa May ihren Brexit-Kurs verteidigt. Ihre Pläne für die Austrittsvereinbarung mit der EU seien im nationalen Interesse, sagte May zum Abschluss des Parteitags ihrer regierenden Konservativen am Mittwoch in Birmingham.

"Nerven behalten"

An ihre Partei richtete May einen Aufruf zur Geschlossenheit: "Die Verhandlungen gehen nun in ihre schwierigste Phase. Wenn wir zusammenhalten und die Nerven behalten, können wir ein zufriedenstellendes Abkommen für Großbritannien erreichen."

Nach einer desaströsen Rede im vergangenen Jahr gelang May dieses Mal eine Ansprache ohne Pannen. Sie wirkte gelöst, kam tänzelnd zu dem ABBA-Song "Dancing Queen" auf die Bühne und gab sich optimistisch: Großbritannien stehe nach dem EU-Austritt eine rosige Zukunft bevor. "Die besten Tagen liegen vor uns, und die Zukunft ist voller Versprechen."

May steht wegen ihrer Brexit-Pläne derzeit massiv unter Druck - innerhalb und außerhalb ihrer Partei. Der harte Brexit-Flügel der Konservativen wirft ihr zu weitreichende Zugeständnisse an die EU vor. Am Dienstag hatte Ex-Außenminister Johnson den Kurs der Regierungschefin als "gefährlich und unbeständig" kritisiert. Mays Plan bedeute eine "politische Demütigung", sagte Johnson.

May will eine Freihandelszone mit der Europäischen Union für Waren, aber nicht für Dienstleistungen wie Bankgeschäfte. Dafür soll sich Großbritannien eng an Produktstandards und andere Regeln des EU-Binnenmarkts halten. Zollkontrollen am Ärmelkanal und zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland sollen durch ein kompliziertes System von gegenseitigen Absprachen verhindert werden.

May warf Brüssel neuerlich Mangel an Respekt bei den Brexit-Verhandlungen vor. "Ich habe die EU mit nichts anderem als Respekt behandelt - und Großbritannien erwartet das Gleiche", sagte die Premierministerin. Großbritannien will sich im März 2019 von der EU trennen. Die Verhandlungen zwischen London und Brüssel scheinen allerdings in einer Sackgasse zu sein. Bei einem ungeregelten Brexit werden große politische und wirtschaftliche Verwerfungen befürchtet.

"Erschüttert" über Corbyn

Die Regierungschefin teilte während ihrer Rede heftig in Richtung Labour-Opposition aus: Millionen Nicht-Tory-Wähler seien "erschüttert, was Jeremy Corbyn seiner Partei angetan hat". Der Alt-Linke setzt vor allem auf soziale Themen wie Wohnungsbau und hat viele Anhänger unter den jungen Wählern. Im Hinblick auf ihre eigene Partei sagte May: "Wir müssen eine Partei für das ganze Land sein."

Am Vortag hatte die Regierung die neuen Pläne für Einwanderer vorgestellt, deren Zahl deutlich gesenkt werden soll: EU-Migranten werden es demnach in Zukunft in Großbritannien schwerer haben. Künftig werden sie im Vergleich zu Einwanderern aus anderen Teilen der Welt nicht mehr bevorzugt behandelt.

Ex-Minister Johnson stellte in Birmingham Mays Führungsrolle als Premierministerin nicht ausdrücklich infrage. Spekulationen des "Daily Telegraph" zufolge steht Mays Zukunft aber weiter auf dem Spiel. Innerhalb ihres Kabinetts gehe es nicht mehr um die Frage, ob sie Regierungschefin bleibe, sondern wann sie gehe. Möglicherweise könnte dies schon direkt nach dem EU-Austritt Ende März der Fall sein. Ein Abgeordneter aus Mays Fraktion entzog ihr bereits am Mittwoch öffentlich das Vertrauen.