Zwei Monate vor den Kongresswahlen hat sich der frühere US-Präsident Barack Obama in den Wahlkampf eingeschaltet und in einer Brandrede scharfe Kritik an seinem Nachfolger Donald Trump geäußert. Obama warf den regierenden Republikanern vor, die Demokratie zu gefährden, das Land zu spalten, internationale Bündnisse zu untergraben und mit Russland auf Schmusekurs zu gehen.

Bei einem Auftritt an der Universität des Bundesstaats Illinois unterstrich er die Bedeutung der Wahlen Anfang November. "Es gibt derzeit nur ein Hindernis für schlechte Politik und Machtmissbrauch, und das ist eure Stimme", rief der zur Partei der Demokraten gehörende Ex-Präsident seinen Zuhörern zu. "Ihr müsst mehr machen, als einen Hashtag zu retweeten. Ihr müsst wählen."

Nach Trumps Wahlsieg im Herbst 2016 hatte sich Obama mit Angriffen auf seinen Nachfolger zurückgehalten. Doch nun forderte er die Wähler in eindringlichen Worten dazu auf, Trump Einhalt zu gebieten. "Solltet ihr gedacht haben, dass Wahlen keine Rolle spielen, dann hoffe ich, dass die beiden vergangenen Jahre diesen Eindruck korrigiert haben", sagte er.

Auch wer mit ihm politisch nicht übereinstimme, "sollte dennoch besorgt sein über unseren derzeitigen Kurs und sollte dennoch die Wiederherstellung von Ehrlichkeit, Anstand und Rechtmäßigkeit in unserer Regierung sehen wollen", so der Ex-Präsident. "Die Behauptung, dass alles gut wird, weil es Leute im Inneren des Weißen Hauses gibt, die heimlich den Anweisungen des Präsidenten nicht folgen - das ist keine Kontrolle", sagte Obama in Anspielung auf den kürzlich in der "New York Times" veröffentlichten Gastbeitrag eines anonymen Regierungsmitarbeiters. "Das ist nicht, wie unsere Demokratie funktionieren soll."

Diese Menschen seien nicht gewählt. "Sie erweisen uns keinen Dienst, indem sie 90 Prozent des verrückten Zeugs vorantreiben, das aus diesem Weißen Haus kommt, und dann sagen: 'Keine Sorge, wir verhindern die anderen 10 Prozent.'" Das sei nicht normal. "Das sind außergewöhnliche Zeiten", mahnte er, "und es sind gefährliche Zeiten."

"Die Politik der Spaltung und des Ressentiments und der Paranoia haben leider in der Republikanischen Partei ein Zuhause gefunden", so Obama. Trump sei nicht die Ursache, sondern nur das Symptom dieser Entwicklung. "Letztendlich liegt die Bedrohung für unsere Demokratie nicht in Donald Trump oder der aktuellen Besetzung der Republikaner im Kongress. Die größte Bedrohung für unsere Demokratie ist die Gleichgültigkeit."

Trump selbst reagierte abschätzig auf Obamas Äußerungen. "Tut mir leid, ich hab's gesehen, aber ich bin eingeschlafen", sagte er auf einer Spendenveranstaltung im Bundesstaat North Dakota. Auch er ruft seine Anhänger zu den Wahlurnen. So könnten sie ein etwaiges Amtsenthebungsverfahren gegen ihn verhindern, mahnte er zuletzt.

Am 6. November werden ein Drittel des Senats und das gesamte Repräsentantenhaus neu gewählt. Umfragen zufolge könnten Trumps Republikaner mindestens eine Kammer an die Demokraten verlieren. Diese könnten dann große Teile seiner politischen Arbeit blockieren.

Außerdem könnten sie weitere Ermittlungen gegen die aktuelle Regierung in Gang setzen. Die Wahlen werden mitunter als ein Referendum über Trump betrachtet. Dieser steht unter Druck wegen Untersuchungen zu einer möglichen russischen Einflussnahme auf die Präsidentenwahl 2016. Außerdem sieht er sich zunehmenden Zweifeln an seiner Eignung für das Präsidentenamt ausgesetzt.