Mit zahlreichen Gedenkveranstaltungen, Versammlungen, Ausstellungen und Konzerten hat Tschechien am Dienstag des 50. Jahrestags der Niederschlagung des "Prager Frühlings" 1968 gedacht. Regierungschef Andrej Babis wurde auf der offiziellen Gedenkveranstaltung vor dem Gebäude des Tschechischen Rundfunks in Prag von aufgebrachten Demonstranten ausgepfiffen.

"Schande" und "Stasi-Leute raus!", riefen viele der mehreren hunderten Teilnehmer der Veranstaltung. Dem Ministerpräsidenten wird vorgeworfen, er habe einst mit dem kommunistischen Geheimdienst kollaboriert. Babis, dessen Minderheitsregierung von der unreformierten Kommunistischen Partei (KSCM) toleriert wird, verlas seine Rede trotzdem, auch wenn sie permanent von lauten Pfiffen und Buh-Rufen gestört wurde.

"Brutaler Eingriff"

Vor dem Gebäude des Tschechischen (damals Tschechoslowakischen, Anm.) Rundfunks in Prag war es im August 1968 zu schweren Zusammenstößen zwischen Demonstranten und sowjetischen Soldaten mit mehreren Todesopfern gekommen. Zuvor waren in der Nacht vom 20. auf 21. August 1968 von der Sowjetunion geführten Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei einmarschiert, um Reformbemühungen unter dem Schlagwort "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" unter KP-Chef Alexander Dubcek niederzuschlagen.

Babis verurteilte in seiner Ansprache die Niederschlagung des Prager Frühlings als einen "brutalen Eingriff", der für viele Jahre die Leben der Tschechen und Slowaken beeinflusst habe. Damit seien "große Hoffnungen" enttäuscht worden, weil die Menschen keine Diktatur vom sowjetischen Typ gewollt hätten.

Ebenso ausgepfiffen wurde der Vorsitzende des Abgeordnetenhauses und Radek Vondracek, der wie Babis der regierenden populistische Partei ANO angehört. Vondracek verurteilte die Invasion von August 1968 als ein Ereignis, welches die Hoffnung auf Freiheit zunichte gemacht habe. Gleichzeitig habe es bestätigt, dass das kommunistische Regime reformunfähig war und dass das Projekt des "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" auch ohne Panzer gescheitert wäre.

"Tragisches Ereignis"

Ohne Störungen verlief die Rede des sozialdemokratischen Chefs des Senats Milan Stech. Der 21. August 1968 sei ein "tragisches Ereignis" gewesen. Die damalige Reformbewegung habe massenhaft Unterstützung in der Bevölkerung gehabt, umso größer sei aber dann die Enttäuschung gewesen, so Stech.

Staatspräsident Milos Zeman nahm nicht an einer der offiziellen Gedenkveranstaltungen teil. Anders als der Präsident der Slowakei Andrej Kiska, der am Abend eine Rede zum Jahrestag halten wollte, wollte der tschechische Staatschef auch keine Erklärung abgeben. Damit sorgte der als prorussisch geltende Zeman bereits im Vorfeld für heftige Kritik in Tschechien.

Sein Sprecher Jiri Ovcacek begründete die Abwesenheit des Staatschefs mit den Worten, dass Zeman die Okkupation in der Zeit kritisiert habe, als der "Preis für Mut noch höher" gewesen sei. Zeman war wegen seiner Kritik am Einmarschs der Warschauer-Pakt-Truppen im Jahr 1970 aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen und aus der Prager Wirtschaftsuniversität entlassen worden war.