Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist am Montagabend von seiner britischen Amtskollegin Theresa May in der Londoner Downing Street empfangen worden. Das Gespräch fand an einem innenpolitisch höchst turbulenten Tag für May statt: Im Laufe des Montags waren sowohl Außenminister Boris Johnson als auch Brexit-Minister David Davis zurückgetreten.

May sagte zu Beginn der Unterredung mit Kurz, sie freue sich auf das Gespräch mit dem Kanzler und dankte ihm für seine Einladung zu den Salzburger Festspielen, die sie gerne annehme. Es gebe "viel zu besprechen", so die konservative Regierungschefin - "natürlich auch, wo wir in unseren Brexit-Verhandlungen sind". Sie nannte aber auch andere Themen wie Migration und "die starken Verbindungen zwischen unseren beiden Ländern".

Auch Kurz verwies auf die "starken Beziehungen zwischen Österreich und dem Vereinigten Königreich, nicht nur auf politischer, sondern auch auf wirtschaftlicher Ebene". Österreich habe als EU-Vorsitzland zudem die Aufgabe, EU-Chefunterhändler Michel Barnier während der Brexit-Verhandlungen zu unterstützen, "und ich hoffe, dass wir zusammenarbeiten können, um einen harten Brexit zu vermeiden" und auch eine "harte Grenze zwischen Nordirland und Irland", sagte der Bundeskanzler.

Turbulenter Tag für May

Das Gespräch der beiden Regierungschefs fand an einem innenpolitisch höchst turbulenten Tag für May statt. Im Laufe des Montags waren sowohl Außenminister Boris Johnson als auch Brexit-Minister David Davis zurückgetreten. Nach den kurzen Pressestatements zum Auftakt der Unterredung von May und Kurz waren keine Fragen zugelassen.

Vor seinem Treffen mit May hatte Kurz die Rücktritte in London gegenüber Journalisten als "Herausforderung" für die britische Regierung bezeichnet. "Für uns auf europäischer Ebene ist nicht so sehr entscheidend, wer unsere Ansprechpartner in Großbritannien sind, sondern entscheidender ist, dass in der Sache etwas weitergeht", sagte der Bundeskanzler.

"Theresa May hat ja die Position des Brexit-Chefverhandlers schon nachbesetzt. Jetzt ist wichtig, dass wir den Zeitplan einhalten und auch bis Oktober spätestens einen Abschluss zustande bringen."

Es sei nicht nur im Sinne der EU-27, sondern vor allem auch im Sinne Großbritanniens, "dass es hier möglichst schnell Klarheit gibt, wie der Brexit stattfinden wird, aber natürlich auch, wie das zukünftige Verhältnis zwischen der Europäischen Union und Großbritannien sein kann", sagte Kurz. "Unser Ziel ist, dass das zukünftige Verhältnis ein starkes ist, wir brauchen eine enge Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und der Europäischen Union."

Irland-Besuch

Kurz war am Montagnachmittag aus Irland angereist, wo er am Vormittag das irisch-nordirische Grenzgebiet besucht hatte. Am Sonntagabend war er mit seinem irischen Amtskollegen Leo Varadkar zusammengetroffen. Die Reise nach Irland und Großbritannien sei die erste bilaterale, seit Österreich am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernommen habe, "auch als klares Unterstützungssignal für Michel Barnier und die Brexit-Verhandlungen", sagte der Bundeskanzler am Montag.

Westbalkan-Konferenz

Am Dienstag will Kurz in London an einer Westbalkan-Konferenz im Rahmen des "Berlin-Prozesses" teilnehmen. Der "Berlin-Prozess" wurde von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel 2014 ins Leben gerufen, um den Westbalkan-Staaten ein positives Signal hinsichtlich der Erweiterungsperspektive zu senden. Nach dem ersten Westbalkan-Gipfel in Berlin (2014) fanden Treffen in Wien (2015) sowie in Paris (2016) und zuletzt 2017 in Triest statt.

Die Annäherung der Westbalkan-Staaten an die EU sei "eine sehr wichtige Priorität unseres Ratsvorsitzes und liegt in unserem ureigensten Interesse", hielt Kurz im Vorfeld der dreitägigen Reise auf die Britischen Inseln fest. Gerade die Aussicht auf Beitrittsverhandlungen mit der EU und einen möglichen Beitritt biete "den notwendigen Anreiz für Reformen, den Kampf gegen Korruption sowie die Aussöhnung unter den Staaten des Westbalkans". Der Gipfel im Rahmen des "Berlin-Prozesses" diene dazu, "die Westbalkan-Staaten bei ihren Reformen zu unterstützen und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, etwa in Bereichen wie Verkehr oder Energie, zu fördern".