Es war am Sonntagabend kurz nach acht Uhr, als in Rom die politische Bombe zündete. Der von rechten und linken Populisten für das Amt des Ministerpräsidenten auserkorene und von Staatspräsident Sergio Mattarella nach einigem Zögern mit der Regierungsbildung beauftragte, politisch unerfahrene Rechtsprofessor Giuseppe Conte wirft das Handtuch. 84 Tage nach der Parlamentswahl steuert das südliche Nachbarland auf Neuwahlen zu, das politische Chaos ist perfekt. Schon ist von einer schweren institutionellen Krise die Rede.

>>>Analyse von Stefan Winkler: Wohin steuert Italien

Es scheiterte an einer einzigen Personalie

Die Klippe, an der die Bildung der Regierung von Fünf-Sterne-Bewegung und Lega zerschellte, ist der 81-jährige Ökonom Paolo Savona. Staatsoberhaupt Mattarella wollte den bekennenden Nationalisten und scharfen Kritiker Deutschlands und des Euro nicht zum Minister für Wirtschaft und Finanzen ernennen und bat die Koalitionäre um einen anderen Namen. Aber Lega-Chef Matteo Salvini versteifte sich auf seinen Wunschkandidaten.

Dabei hatte Savona, der schon einmal in der Regierung Ciampi 1993 bis 1994 Industrieminister war, zuletzt zu erkennen gegeben, dass er auf das Schlüsselressort verzichten würde. Aber Salvini schaltete auf stur: „O Savona o morte“ – „Entweder Savona oder der Tod“, drohte der Lega-Boss, sollte Mattarella auf dem Veto beharren. Und so spitzte sich der Machtkampf in Rom zu. Der Showdown war programmiert.

„Wir haben alles gegeben. Diese Regierung könnte schon morgen stehen. Wenn sie jemand verhindern will, dann soll er das 60 Millionen Italienern erklären!“, dröhnte Salvini am Sonntag im umbrischen Terni. Zu diesem Zeitpunkt saß Conte seit Stunden im Quirinalspalast in Rom und verhandelte mit Mattarella erfolglos über die umstrittene Personalie Savona.

Salvini wusste da schon, dass der Staatschef nicht von seinem Veto abrücken würde. Er war mit Luigi Di Maio, dem Anführer der Cinque Stelle, wenige Stunden davor bei Mattarella am „Colle“ aufsalutiert. So wird in Rom der Amtssitz des Präsidenten genannt. „Über Italien entscheiden die Italiener, vorausgesetzt wir leben in einer Demokratie. Wenn wir aber in einem Gehege angekettet sind und keinen Minister haben dürfen, der Berlin nicht passt, dann ist das gar nicht gut“, machte der Lega-Chef in Terni seiner Wut Luft.

Lega und Cinque Stelle hatten es in den vergangenen Tagen wiederholt am gebührenden Respekt für den Präsidenten missen lassen und zuletzt ultimativ mit Neuwahlen gedroht.

Kommt jetzt eine Expertenregierung?

Nach der gescheiterten Regierungsbildung überschütteten beide Mattarella mit galligen Vorwürfen. „Sein Entschluss ist unverständlich. Die Wahrheit ist, dass sie die Fünf Sterne nicht in der Regierung haben wollen. Ich bin sehr zornig, aber es endet nicht hier“, attackierte Di Maio den Präsidenten frontal und forderte dessen Amtsenthebung.

Doch Mattarella zeigte sich unerbittlich: „Ich habe die Regierungsbildung nicht behindert. Im Gegenteil. Aber das Staatsoberhaupt ist kein Befehlsempfänger!“ Er habe darum gebeten, ihm für das Amt des Wirtschafts- und Finanzministers eine respektgebietende politische Persönlichkeit zu nennen. „Jemanden, der nicht einen Kurs befürwortet, der Italiens Austritt aus dem Euro provozieren könnte“, so Mattarella.

Wie es nun in Italien weitergeht, ist offen. Am wahrscheinlichsten ist, dass der Mattarella eine parteilose Übergangsregierung einsetzt, die das Land bis zu Neuwahlen im Herbst führt. Auf diese Variante deutet hin, dass der Präsident für den heutigen Montag den Wirtschaftsexperten Carlo Cottarelli zu sich in den Quirinalspalast geladen hat.
Doch was dann? Jüngsten Umfragen zufolge dürfte die Lega bei Neuwahlen noch einmal kräftig auf gut 25 Prozent zulegen. Und auch die Fünf Sterne, die mit fast 33 Prozent der Stimmen am 4. März zur stärksten Einzelpartei in Italien avanciert sind, bleiben ungebrochen populär. Nach der Wahl wäre also vor der Wahl.