Wie sehen die Szenarien nun in Syrien aus?

Walter Feichtinger: Das eine ist ein Bestrafungsszenario, bei dem die Amerikaner nur einige wenige Ziele in Syrien bombardieren, und damit hat es sich. Szenario zwei: das Bombardement dieser angeblichen 22 Ziele, von denen das Pentagon spricht. Da wären dann Anlagen für chemische Kampfstoffe dabei. Ich denke nicht, dass die USA gezielt Luftschläge auf syrisches Militär macht, denn das könnte kritisch werden.

Inwiefern?

Feichtinger: Da Russland das Luftraum-Verteidigungssystem sehr hochgerüstet hat, könnte Russland gemeinsam mit der syrischen Luftabwehr versuchen, viele der angreifenden Cruise Missiles, diese Marschflugkörper oder Raketen, abzufangen. Das wäre dann ein direktes Aufeinandertreffen von Amerikanern und Russen.

Und der Beginn eines neuen Kalten Krieges?

Feichtinger: Gute Frage. Der Kalte Krieg war ja dadurch gekennzeichnet, dass nicht direkt miteinander gekämpft wurde. Kommt es zu einer direkten Konfrontation zwischen Russland und den USA in Syrien, wird es kompliziert. Es käme zu einer weiteren politischen Verhärtung zwischen Amerika und Russland. Ich gehe aber davon aus, dass im Hintergrund zwischen den beiden Großmächten verhandelt wird. Die Botschaft könnte lauten: Russland soll sich zurückhalten, Amerika macht einen Bestrafungsschlag, dann gehen wir zur Tagesordnung über.

Muss die Welt Angst vor einem Krieg haben?

Feichtinger: Nein. Beängstigend ist allerdings, dass das Vertrauen zwischen Russland und dem Westen, und da auch zu Europa, so stark in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Wer kein Vertrauen hat, unterstellt dem anderen immer das Schlimmste. Das wäre der Beginn eines neuen Wettrüstens.

Was bedeutet die Eskalation in Syrien für uns?

Feichtinger: Es kann zu einer neuen Flüchtlingswelle kommen.

„Kein US-Angriff wird das militärische und politische Gleichgewicht am Feld in Syrien stören“, sagt ein iranischer Politiker. Ist das so?

Feichtinger: Es gilt auch heute die alte Regel: Dauerhafte Veränderungen werden nicht durch Luftschläge gemacht, sondern am Boden. Und dort sind die Iraner, die Russen und die Syrer.