Die EU-Kommission will heute Nachmittag eine umfassende Strategie zum Schutz von Mensch, Umwelt und Ozeanen vor rapid wachsenden Plastikmüllbergen vorlegen. Ziel soll unter anderem sein, deutlich mehr Kunststoffe zu recyclen, anstatt sie auf Deponien zu sammeln oder zu verbrennen.

Laut EU-Kommission sammelt sich in Europa jedes Jahr rund 26 Millionen Tonnen Plastikmüll an. Nur rund ein Drittel davon wird zur Wiederverwertung gesammelt. Der Rest landet auf Deponien, in Vebrennungsanlagen oder eben in der Umwelt. Das Thema hat seit Jahresbeginn Priorität, weil China die Abfallimporte gestoppt hat.

Auch die britische Regierung will bis 2042 den Verbrauch von Plastik drastisch senken. Sie will Supermärkte davon überzeugen, "plastikfreie Regale" einzurichten und Abgaben auf Wegwerfverpackungen erheben. Schon jetzt solle eine Gebühr für Plastiksackerln auch für kleinere Läden gelten - bisher waren davon in Großbritannien nur größere Supermärkte betroffen. 

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Plastiksteuer

Am Mittwoch hatte EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger angekündigt, die Einführung einer europaweiten Plastiksteuer zu prüfen, unter anderem aus Gründen des Umweltschutzes - aber auch um den EU-Haushalt ab 2021 zu speisen. Zudem nannte er auch das von China verhängte Importverbot für Plastik aus anderen Ländern als Argument. Bisher wurden große Mengen Plastikmüll aus der EU nach China verschifft. Dort wurde er dann sortiert und verwertet.

Warum erwägt die EU-Kommission, die Einführung einer Plastiksteuer vorzuschlagen?

Hauptgrund ist laut EU-Kommissar Günther Oettinger der Umweltschutz. "Wir müssen im Interesse unserer Weltmeere, unserer Tiere, im Interesse unser Landschaftsbilder die Menge an verbrauchtem Plastik verringern", sagte er am Mittwoch. Zudem nannte er auch das von China verhängte Importverbot für Plastik aus anderen Ländern als Argument.

Was hat es mit dem Importverbot auf sich?

Bisher wurden große Mengen Plastikmüll aus der EU nach China verschifft. Dort wurde er dann sortiert und verwertet. Die Regierung in Peking will das aber nicht mehr und hat mit 1. Jänner ein Importverbot erlassen, um die Umwelt und die Arbeiter in China besser zu schützen.

Was bedeutet das für die EU?

Vor allem, dass sie künftig mit einem deutlich größeren Abfallberg selbst fertig werden muss. Nach Angaben des deutschen Umweltbundesamtes (UBA) hat allein Deutschland bisher 560.000 Tonnen Plastikabfälle pro Jahr nach China exportiert - das waren immerhin 9,5 Prozent des Plastikmülls.

Wie würde eine Plastiksteuer funktionieren?

Die Details einer solchen Steuer sind völlig unklar und sie könnten recht komplex werden. Kernfrage wäre: Was wird überhaupt besteuert? Denn Aufregung gibt es vor allem um Plastikabfälle und Verpackungsmüll, aktuell unter anderem wegen des Importstopps Chinas. Kunststoffe gibt es aber in unendlichen Variationen überall im Alltag vom Computergehäuse bis zur Käsedose, vom Vorhang bis zur Stoßstange. Tatsächlich gibt es so viele Kategorien in der EU produzierter und importierter Kunststoffe, dass die Statistikbehörde Eurostat auf Anfrage keine Gesamtmenge der möglicherweise künftig zu besteuernden Kunststoffe nennen kann. Die Menge weltweit bezifferte der Umweltverband Nabu auf 320 Millionen Tonnen pro Jahr.

Wo würde man also ansetzen?

Nabu-Experte Benjamin Bongardt, der Oettingers Idee grundsätzlich begrüßt, plädiert für eine Materialsteuer auf Kunststoffe direkt bei der Produktion. Diese würde dann bei der Weiterverarbeitung jeweils auf die fertigen Kunststoffprodukte aufgeschlagen und würde letzten Endes vom Verbraucher mitbezahlt. Wie hoch sie ausfiele und wie viel sie einbrächte, ist nach Bongardts Worten noch gar nicht einzuschätzen. Aus Sicht des Umweltschützers müsste sie fein austariert werden: Hoch genug, um unnötigen Plastikeinsatz zu vermeiden, aber nicht zu hoch, um nicht die Produktion abzuwürgen.

Ist das ökologisch sinnvoll?

Da sind Experten durchaus unterschiedlicher Meinung. Bongardt argumentiert dafür: Bisher sei Erdöl für die Produktion von Kunststoffen energiesteuerfrei; große Mengen Plastik würden aber letztlich als Abfälle verbrannt. Somit seien sie im Grunde wie Öl oder Gas ein fossiler Brennstoff, der aber nicht besteuert werde. Das sei unsinnig. Auch sei Vermeidung dringend nötig, denn die Kunststoffmenge sei seit 1950 drastisch gestiegen.

Andere Experten mahnen aber, nicht alles über einen Kamm zu scheren. Denn Kunststoffe könnten zum Beispiel als leichter Werkstoff Umweltvorteile haben, häufig gebe es keine ökologisch sinnvollere Alternative. Und Plastik sei oft so billig, dass selbst ein Steueraufschlag um 100 oder mehr Prozent kaum einen Anreiz biete, weniger davon einzusetzen.

Wie geht es jetzt weiter?

Die EU-Kommission will bis Mai entscheiden, ob sie die Einführung einer Plastiksteuer wirklich vorschlägt. Derzeit werde beispielsweise noch geprüft, ob eine solche Steuer am besten schon von den Produzenten oder erst von den Verbrauchern gezahlt werden sollte. Überlegen müsse man zudem, in welchen Bereichen möglicherweise Ausnahmen gemacht werden müssten. Als Beispiel nannte Oettinger Milchprodukte. Diese werden oft in Kunststoffverpackungen verkauft, die geruchs- und geschmacksneutral, leicht und hygienisch sind.

Könnte die EU-Kommission die Einführung einer Plastiksteuer allein entscheiden?

Nein. In Steuerfragen müssen sich grundsätzlich sämtliche EU-Staaten einig sein, damit Änderungen vorgenommen werden können. Einzelne Steuern zu erheben und Steuersätze festzulegen, ist Sache der Nationalstaaten. Natürlich könnten sich diese aber darauf einigen, eine einheitliche Steuer zu erheben.