Auch die Neuwahl in Spaniens Konfliktregion Katalonien brachte keine Änderung der bisherigen Machtverhältnisse.

Die Separatisten errangen rund 52 Prozent, das Pro-Spanien-Lager 42 Prozent, auf den Rest, quasi die Unentschlossenen, entfielen die restlichen sechs Prozent.

Im Parlament errangen die Separatisten, die bis Oktober in der Region regierten und die Abspaltung Kataloniens durchsetzen wollen, offenbar wieder die absolute Mehrheit der Sitze. Damit ist zu erwarten, dass der Unabhängigkeitskonflikt, der den spanischen Staat an den Rand einer schweren Krise brachte, weitergeht.

Das Spanien-freundliche Lager konnte gleichwohl bemerkenswerte Zugewinne verbuchen und kam zusammengerechnet auf rund 43,5 Prozent. Dies ist vor allem der Partei Ciudadanos mit ihrer Spitzenfrau Inés Arrimadas zu verdanken, die sich auf etwa 25,5 Prozent steigerte und damit stärkste Partei wurde.

Marta Roviro von der Republikanischen Linkspartei (ERC) - im Hintergrund ein Foto des inhaftierten Oriol Junqueras
Marta Roviro von der Republikanischen Linkspartei (ERC) - im Hintergrund ein Foto des inhaftierten Oriol Junqueras © APA/AFP/LLUIS GENE

Angesichts der Bedeutung dieser Wahl, die von der Unabhängigkeitsbewegung als indirektes Referendum über die Abspaltung der Region angesehen wurde, war die Wahlbeteiligung außergewöhnlich hoch. Vor vielen Wahllokalen hatten sich lange Schlangen gebildet. Die Wahlbeteiligung erreichte mit 82 Prozent ein Rekordniveau; insgesamt waren 5,5 Millionen Katalanen wahlberechtigt. In der vergangenen Wahl in 2015, in der ebenfalls die Unabhängigkeitsfrage im Vordergrund stand, lag die Beteiligung bereits bei 77 Prozent. 

Carles Puigdemont verfolgt die Wahl von Brüssel aus - und freut sich über das Ergebnis
Carles Puigdemont verfolgt die Wahl von Brüssel aus - und freut sich über das Ergebnis © APA/AFP/ARIS OIKONOMOU

Nach dem offiziellen Teilergebnis wurde die prospanische Partei Ciudadanos mit etwa 25,5 Prozent (2015: 17,9 Prozent) stärkste Partei. Zum spanischen Lager gehören auch die Sozialisten (PSC), die ebenfalls zulegten und auf rund 14 Prozent (2015: 12,7) kamen. Genauso wie die konservative PP von Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy, die freilich mit etwas über vier Prozent (2015: 8,5) erhebliche Federn lassen musste. Der prospanische Block kam demzufolge zusammengerechnet auf gut 43,5 Prozent – das wären 4,5 Prozentpunkte mehr als bei der vergangenen Wahl.

Den zweiten und dritten Platz machen sich zwei Separatistenparteien streitig: Sowohl die Unabhängigkeitsliste Junts per Catalunya (JxCat) des früheren katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont als auch die Konkurrenzliste Esquerra Republicana (ERC) landeten bei rund 21,5 Prozent.

Spitzenkandidatin der liberalen Partei Ciudadanos:  Ines Arrimadas ist gegen die Abspaltung von Spanien
Spitzenkandidatin der liberalen Partei Ciudadanos: Ines Arrimadas ist gegen die Abspaltung von Spanien © APA/AFP/PAU BARRENA

Puigdemont wird von Spaniens Oberstem Gerichtshof vorgeworfen, mit ungesetzlichen Mitteln versucht zu haben, die Unabhängigkeit Kataloniens durchzusetzen. Um nicht verhaftet zu werden, flüchtete er nach Belgien. Er muss aber bei Rückkehr mit Festnahme rechnen, weswegen er sich am Donnerstag nicht traute, zur Stimmabgabe anzureisen.

ERC-Chef Oriol Junqueras sitzt derzeit in Untersuchungshaft wegen der gleichen Vorwürfe, die auch gegen Puigdemont erhoben werden. Er musste per Briefwahl seine Stimme abgeben.

ERC und Junts waren in 2015 zusammen angetreten und hatten 39,5 Prozent errungen. Dieses Bündnis war nun bei der Neuwahl am Streit gescheitert. Summiert man jedoch, kommen die beiden Parteien jetzt auf etwa 43 Prozent. Die Verluste für das Separatistenlager gehen vor allem zu Lasten der kleinen linksradikalen Partei  Candidatura d'Unitat Popular (CUP), die etwas mehr als vier Prozent (2015: 8,2) erhielt. Zusammengerechnet kommen die Befürworter einer Loslösung von Spanien somit auf etwa 47,5 Prozent der Stimmen. Also recht ähnlich, wie bei der Wahl in 2015, als sie 47,8 Prozent eingesammelt hatten.

Die kleine linksalternative Liste Catalunya en Comú (CeC), die der spanischen Protestpartei Podemos nahesteht, könnte künftig bei der Machtverteilung eine wichtige Rolle spielen. Sie kam auf etwa 7,5 Prozent (2015: 8,9). Comú ist gegen die Abspaltung, unterstützt aber ein Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien.

Wer konnte, ging wählen
Wer konnte, ging wählen © APA/AFP/JAVIER SORIANO

Durch das Wahlrecht wird das dünn besiedelte katalanische Hinterland, wo die Separatisten stark sind, bei der Sitzverteilung begünstigt. Die Separatisten können somit sogar eine absolute Mehrheit der Mandate erringen, ohne eine Mehrheit der Wähler hinter sich zu haben. Dies war ihnen auch bei der letzten Wahl in 2015 gelungen.

Damals hatte die Unabhängigkeitsfront mit knapp 48 Prozent der Stimmen 72 der 135 Sitze errungen – also die absolute Mehrheit. Nun könnten sie nach den vorläufigen Angaben auf etwa 70 Mandate werden. Der Spanienblock war in 2015 mit 39 Prozent auf 52 Sitze gekommen. Jetzt werden dem Spanien-freundlichen Lager 57 Mandate zugeschrieben.

Carles Puigdemont
Carles Puigdemont © AP

Die Neuwahl in Katalonien war notwendig geworden, nachdem Spaniens Zentralregierung die katalanische Separatistenregierung in Barcelona wegen zahlreicher illegaler Entscheidungen Ende Oktober abgesetzt hatte. Dem Separatistenkabinett unter Ministerpräsident Puigdemont war vorgeworfen worden, am 1. Oktober ein illegales Unabhängigkeitsreferendum organisiert und am 27.Oktober eine widerrechtliche Unabhängigkeitserklärung durchgesetzt zu haben.

Spaniens Verfassung sieht eine Abtrennung von Regionen nicht vor.

Ein Fan der Abspaltung Kataloniens von Spanien küsst seinen Wahlzettel, ehe er ihn einwirft
Ein Fan der Abspaltung Kataloniens von Spanien küsst seinen Wahlzettel, ehe er ihn einwirft © APA/AFP/LLUIS GENE

Bei dem Referendum am 1. Oktober, das von den Separatisten gegen ein Verbot des Verfassungsgerichts angesetzt worden war, hatten 90 Prozent der Teilnehmer für die Unabhängigkeit gestimmt, die Beteiligung lag aber bei nur 43 Prozent. Als die Polizei versuchte, das Verbot durchzusetzen, Wahllokale zu schließen und Wahlzettel zu beschlagnahmen, sorgte der unverhältnismäßige Einsatz von Knüppeln für hässliche Bilder, die um die Welt gingen und Spanien heftige Kritik einbrachten.