Wenn Kuba die Errungenschaften hervorheben will, die seit der Revolution des am Freitag verstorbenen "Maximo Lider" Fidel Castro erzielt wurden, dann geht es zumeist um zwei Bereiche: Bildung und Medizin. Zweifellos kann die karibische Zuckerinsel auf dem Gebiet der Volksbildung und auf dem Gesundheitssektor mit beeindruckenden Zahlen aufwarten. Vielen Staaten Lateinamerikas ist Kuba hier voraus. Der Arbeitsmarkt kämpt indes mit riesigen Problemen.

Stolz wird auf UNESCO-Studien verwiesen, in denen sich auch die USA geschlagen geben müssen. Angesprochen auf die USA, klingen die Reaktionen kubanischer Fachleute etwa so: Die Amerikaner haben zwar teure Elite-Universitäten, aber wir Kubaner haben ein besser ausgebildetes Volk. Und dies, obwohl sich das 1959 verhängte US-Wirtschaftsembargo fatal ausgewirkt habe. "Es gab keinen Zugang zu Büchern, zu Lehrmaterial aus den USA, keine Abrechnungen in US-Dollar", schildert Paul Torres Fernandez, Vizedirektor des Instituts für Pädagogische Wissenschaft in Havanna. Das Lehrmaterial werde vielfach aus dem fernen China importiert, koste so das Doppelte. "In fünf Tagen ohne bloqueo könnten wir das Material für ganz Kuba kaufen", ist Torres überzeugt.

Auf den vorderen Rängen

Kuba scheut den Vergleich mit den USA dennoch nicht, wenn es um Bildungsinhalte geht. In globalen Statistiken finde sich Kuba auf den vorderen Rängen. Wenn es wie in Europa eine Pisa-Studie gäbe, dann wäre "Kuba praktisch das Finnland Amerikas", stellt der Pädagogikprofessor einen plastischen Vergleich an und lacht. Bis zur Aufhebung des Embargos im US-Kongress sei allerdings ein weiter Weg zurückzulegen. "Präsident (Barack) Obama kann aber viel tun, um diesen Knoten zu lösen."

1997 sei Kuba erstmals in eine vergleichende UNESCO-Studie über Lateinamerika einbezogen worden, erläutert Torres. Das Ergebnis: Kuba lag weit über dem Durchschnitt des Kontinents. Ähnlich war das Resultat der UNESCO-Untersuchung von 2006. Egal, aus welcher sozialen Schicht die Kinder stammten, sie schnitten besser ab. Dies habe den Experten Martin Carnoy von der Stanford University veranlasst, das kubanische Schulsystem zu studieren und im Buch "Cuba"s Academic Advantage" zu analysieren.

Schulunterricht und Universitätsstudium sind in Kuba kostenlos. Selbst während der Krisenperiode 1991-2002 ("periodo especial"), in der Kubas Wirtschaft wegen des Zerfalls der sozialistischen Bruderstaaten und der Verschärfung des US-Embargos auf dem Boden war, "wurde kein Spital, keine Schule geschlossen", so der Professor. "Auf 45 Einwohner kommt ein Lehrer. Zwölf Prozent des BIP wird für Erziehung ausgegeben", beschreibt er die aktuelle Lage. In abgelegenen Gegenden werde in Klassen mit weniger als fünf Schülern unterrichtet. Beim Unterricht für Kinder aus benachteiligten Familien hat sich die katholische Kirche Verdienste erworben. Der Salesianer-Orden veranstaltet IT-Kurse für Jugendliche aus ärmeren Schichten.

Kostenlose medizinische Versorgung

Gratis ist auch die medizinische Versorgung. Selbst Kubaner, die sich 23 Monate im Ausland aufhalten (praktisch dort leben), behalten diesen Anspruch. Rund 400.000 Mediziner gibt es in Kuba. Sie verdienen 40 bis 50 Euro. Zum Vergleich: Das Durchschnittseinkommen eines Kubaners beträgt rund 20 Euro. Kuba hat sich nach der Revolution die medizinische Entwicklungshilfe auf die Fahnen geschrieben. Das gilt heute noch. Rund 30.000 Ärzte sind in Venezuela tätig, 10.000 in Brasilien. Freilich: Ein Teil der Gehälter wird von den befreundeten Staaten an den kubanischen Staat abgeführt. Ärzte, die auf Auslandseinsätze zurückblicken, sind in den USA gefragt. Laut Diplomaten kommen sie rasch zu Papieren, wenn sie abspringen.

Riesige Arbeitsmarktprobleme

Kuba hat gewaltige Arbeitsmarktprobleme. Der Staatsapparat ist aufgeblasen, viele Akademiker finden keine adäquaten Jobs. Von 5 Millionen Staatsangestellten will Kuba 1,7 Prozent entlassen und auf dem wachsenden privaten Markt unterbringen. Das bringt neue Probleme mit sich. Der Privatsektor beschäftigt schätzungsweise eine Million Menschen, wächst aber nicht schnell genug, um Massen von Ex-Staatsdienern zu absorbieren. Universitätsabsolventen arbeiten in allmöglichen Berufen, nur nicht in ihrem. Im Restaurant bedient dann ein Kellner, der eigentlich Biologe ist, auf dem Markt verkauft ein Ingenieur Souvenirs, das Taxi chauffierte ein Chirurg. Das gehört in Havanna zum Alltag.

Für die Kubaner selbst brachte vor allem erste Öffnungen des Privatsektors gewisse neue Möglichkeiten, so können Restaurants, Kioske oder kleinere Geschäfte sowie Fremdenzimmer mittlerweile privat angeboten werden. Für ausländische Interessenten ist insbesondere das neue Investitionsgesetz von Vorteil, das seit 2014 in Kraft ist. Es bietet im Vergleich zu vorher größere Rechtssicherheit für Investoren, Steuervergünstigungen und deutlich weniger bürokratische Hürden.

Joint Ventures sind nicht mehr verpflichtend, es werden auch Unternehmen mit rein ausländischem Kapital zugelassen. Zudem öffnete das neue Gesetz erstmals fast alle Sektoren der kubanischen Wirtschaft für Auslandsinvestoren, ausgenommen bleiben vorerst die Bereiche Bildung, Gesundheit und Militär.

Staatsmedien dominieren

Kritik kommt auch von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International (ai) oder der NGO "Reporter ohne Grenzen" (ROG). In der Rangliste der Pressfreiheit wird Kuba dort nur Platz 169 von 180 eingeräumt. Begründung: "Kubas Gesetze verpflichten Journalisten auf die Ziele des Sozialismus und stellen etwa die Verbreitung 'unerlaubter' Nachrichten sowie die Zusammenarbeit mit 'Feindmedien' unter Strafe." Zudem werde das Internet drastisch zensiert.

Die Staatsmedien haben laut "ROG" eine Quasi-Monopolstellung und dienen als Propagandainstrumente der Regierung. Private Radio- und Fernsehsender sind verboten, Visa an ausländische Reporter werden selektiv vergeben.