Russland hat seinen Verbündeten Syrien im UN-Sicherheitsrat gegen den Vorwurf des Chemiewaffen-Einsatzes in Schutz genommen. Der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin verweigerte dem Bericht einer UN-Kommission, der den Einsatz der international geächteten Waffen in Syrien als erwiesen ansieht, die Anerkennung.

Nach einer Sitzung des Rats am Dienstag (Ortszeit) wies er die Forderungen der USA und anderer Länder nach Strafmaßnahmen zurück.

"Offene Fragen"

"In dem Bericht wird niemand genannt, gegen den Sanktionen verhängt werden könnten", sagte Tschurkin in New York. "Er enthält keine Namen, keine Details, keine Fingerabdrücke." Zwar sei es "höchst wahrscheinlich", dass das Giftgas Chlorin eingesetzt worden sei, sagte der Diplomat. Nach russischer Lesart sei aber keineswegs geklärt, wer dafür verantwortlich war. Seine Regierung sehe "eine Menge offener Fragen", sagte Tschurkin.

Großbritannien und Frankreich betrachten die Schuld der syrischen Regierung am Einsatz der Giftgas-Waffen hingegen als erwiesen. Sie forderten in der Sitzung des Sicherheitsrats Strafmaßnahmen gegen die Verantwortlichen. Die Botschafter Matthew Rycroft aus Großbritannien und François Delattre aus Frankreich warfen der syrischen Führung unter Präsident Baschar al-Assad "Kriegsverbrechen" vor. Auch die USA hatten nach Vorlage des Berichts eine rasche Reaktion des Sicherheitsrats gefordert.

UN-Bericht dokumentiert neun Fälle

Eine UN-Untersuchungskommission hatte in der vergangenen Woche ihre Befunde zum Einsatz chemischer Waffen in Syrien in neun Fällen vorgelegt. In zwei Fällen in den Dörfern Talmenes und Sarmin habe dies eindeutig der syrischen Armee zugeordnet werden können, in einem weiteren Fall der Jihadistenmiliz IS. Die giftigen Substanzen seien aus Hubschraubern der syrischen Luftwaffe auf die Dörfer abgeworfen worden.

Syriens UN-Botschafter Bashar Jaafari sprach den Befunden die Glaubwürdigkeit ab. Es gebe keine "materiellen Beweise" für die Vorwürfe gegen die Regierungstruppen, sagte er in New York. Die Ergebnisse der Untersuchung beruhten auf "den Aussagen von Zeugen, die von bewaffneten terroristischen Gruppen" gestellt worden seien.

Russland ist militärischer und politischer Verbündeter der Assad-Regierung in Damaskus. Seine Stellung als Vetomacht im Sicherheitsrat hatte es mehrfach genutzt, um Verurteilungen und Sanktionen von Syrien abzuwenden.

Druck auf Syrien

Die Menschenrechtsgruppierung Human Righs Watch kritisierte das russische Vorgehen scharf. Moskau behindere den Sicherheitsrat und blockiere die Weitergabe des Falles an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, kritisierte der UN-Experte der Organisation, Louis Charbonneau. "Der Sicherheitsrat vermindert seine eigene Bedeutung, wenn er sich nicht klar gegen den erwiesenen Einsatz von Chemiewaffen durch die syrische Regierung stellt."

Unter massivem internationalen Druck war Syrien 2013 der Chemiewaffenkonvention beigetreten. Assad hatte sich verpflichtet, sämtliche Chemiewaffen zu zerstören. Die Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) benutzte nach Erkenntnissen der UN-Experten am 21. August 2015 im Ort Marea nahe Aleppo das hochgiftige Senfgas. In sechs untersuchten Fällen von Chemiewaffeneinsatz konnten die UN-Experten die Urheberschaft nicht eindeutig klären.