Der erste Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, hat das Flüchtlingsabkommen der Europäischen Union mit der Türkei verteidigt und als nächsten Schritt der EU ähnliche Abkommen mit Libyen und anderen Ländern gefordert. Er bezeichnete in der ORF-Sendung "Im Zentrum" am Sonntagabend den Türkei Deal als "Riesenerfolg".
Timmermans begründete dies mit der reduzierten Zahl von Neuankömmlingen über die sogenannte Westbalkanroute und einer deutlich gesunkenen Anzahl von im Meer ertrunkenen Flüchtlingen in der Ägäis. Angesprochen auf die in Richtung EU gerichtete aggressive Rhetorik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, sagte Timmermans, er könne damit "wenig anfangen". Er sehe sich diesbezüglich als "Pragmatiker".
Fortschritte
Der Kommissionsvizepräsident sah in der gemeinsamen Diskussion mit Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), EU-Parlament-Vizepräsidentin Ulrike Lunacek (Grüne) sowie dem slowakischen Oppositionsführer und Europaparlamentarier Richard Sulik auch insgesamt Fortschritte in den Bemühungen um eine gemeinsame europäische Lösung in der Flüchtlingskrise.
Unterschiedliche Meinungen gab es unter den Diskutanten zur Frage der solidarischen Verteilung von Flüchtlingen in der EU und über den in Europa vielfach kritisierten Vorstoß von Außenminister Kurz zur Einführung eines sogenannten "Australischen Modells". Kurz wies Kritik als "scheinheilig" zurück und dementierte auch den Vorwurf von Ulrike Lunacek, er habe in diesem Zusammenhang von "Internierungslagern" für Flüchtlingen gesprochen. Dabei habe es sich vielmehr um eine "mediale Zuspitzung" gehandelt.
"Aktionsplan" diskutieren
Kurz bestätigte, in den kommenden Tagen seinen "Aktionsplan" auf höchster europäischer Ebene mit seinen Kollegen aus den Mitgliedstaaten diskutieren zu wollen. Er verteidigte seinen Vorschlag einmal mehr und ortete einen "irrsinnigen Migrationsdruck" vom afrikanischen Kontinent her. Die Lösung sei angesichts dessen an der EU-Außengrenze und in den verschiedenen Herkunftsländern zu finden.
Hinsichtlich des in vier Tagen stattfindenden Referendums über einen möglichen EU-Austritt Großbritanniens herrschte allgemein eine abwartende Haltung unter den Sendungsteilnehmern. Timmermans zeigte am deutlichsten seine Präferenz für einen Verbleib der Briten in der Union. Großbritannien helfe der EU dabei, notwendige Reformen durchzuführen, wenn es dabei bleibe. Was im Falle eines "Brexit" passieren würde, wisse weder er noch sonst jemand in der EU. Es gebe diesbezüglich auch keinen "Masterplan der EU-Kommission.
Weitere Themen der Sendung über die Zukunft der EU waren der bereits vollzogene Rechtsruck in mehreren europäischen Staaten und die Frage über eine mögliche schrittweise Aufhebung der Russland-Sanktionen im Gegenzug für eine schrittweise Umsetzung des Minsker Abkommens zur Situation in der Ostukraine.
Am heutigen Montag trifft Timmermans Bundeskanzler Christian Kern.